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Sozialpolitik in der BRD

Sozialpolitik in der DDR

Atomkriegspläne der USA 1945 bis 1956

Reiner Zilkenat

Zu den US-amerikanischen Planungen für einen Nuklearkrieg gegen die Sowjetunion1

Die bloße Existenz der Sowjetunion bildete einen

Alptraum“2 (Mevyn P. Leffler, US-amerikanischer

Historiker)

Offen gestanden halte ich das Monopol-Kapital

jedes Verbrechens für fähig.“3 (Thomas Mann,

25. Januar 1946)

Angesichts des 100. Jahrestages der Oktoberrevolution sollte der Blick in die Geschichte die zahlreichen Versuche imperialistischer Mächte nicht außer Acht lassen, die Sowjetmacht auch mit militärischen Mitteln zu eliminieren. Besonders für marxistische Historiker sollte die Konterrevolutionsforschung, zumal angesichts der Ereignisse von 1989/90, von herausragender Bedeutung sein. Es gilt zunächst, kritisch und selbstkritisch aus den eigenen, zum Teil schwerwiegenden Fehlern und Versäumnissen zu lernen, die ein Scheitern des ersten Versuchs, eine sozialistische Gesellschaftsordnung als Alternative zur Welt des Kapitals zu konstituieren, mit herbeigeführt bzw. begünstigt haben. Dabei darf allerdings nicht in Vergessenheit geraten, dass die Sowjetmacht seit dem ersten Tag ihrer Existenz mit einem reichhaltigen und äußerst differenzierten Arsenal konterrevolutionärer Aktionen konfrontiert wurde.

Ein ebenso wichtiger wie extremer Bestandteil dieses Arsenals waren seit der Befreiung der Welt von der faschistischen Barbarei, bei der die UdSSR den entscheidenden Beitrag geleistet hatte, diverse Atomkriegspläne der USA. Sie beinhalteten, mittels eines „ersten Schlages“ die Sowjetunion auszulöschen.

Mochten bis dahin die imperialistischen Interventionsmächte im Zusammenspiel mit den „Weißgardisten“ einen besonders grausamen Krieg gegen die Bolschewiki, die junge Sowjetmacht und ihre Rote Armee geführt haben, mochte der von 1941 bis 1944 auf dem Territorium der Sowjetunion geführte Eroberungs- und Vernichtungskrieg des deutschen Faschismus alle bis dahin bekannten Methoden und Ziele imperialistischer Kriegsführung weit in den Schatten stellen4, so stellte der mögliche Einsatz von Kernwaffen gegen die Sowjetunion und ihre Verbündeten eine völlig neuartige Variante des Versuches dar, die Ergebnisse der Oktoberrevolution dauerhaft zu revidieren. Die Konterrevolution verfügte jetzt über die reale Perspektive einer militärischen Vernichtung des alternativen Gesellschaftsmodells.

Im folgenden Beitrag sollen einige der Atomkriegspläne des US-Imperialismus in den späten vierziger und fünfziger Jahren im Zusammenhang des von den USA inszenierten Kalten Krieges skizziert werden. Wie sich dabei zeigen wird, wurden die ersten Planungen bereits zu einer Zeit entwickelt, als die UdSSR noch nicht über Kernwaffen verfügte bzw. ihr Bestand an Atomwaffen und Trägersystemen bei weitem nicht das Niveau der USA erreichte.

Der Entfesselung des Kalten Krieges und die „Atomdiplomatie“ der USA

Bekanntlich waren auf Befehl von Präsident Harry S. Truman die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki am 6. bzw. 9. August 1945 durch den Abwurf von Atombomben dem Erdboden gleichgemacht worden. Die Angaben über die Anzahl menschlicher Opfer differieren in der Literatur in erheblichem Maße. In Hiroshima dürften etwa 70.000 bis 100.000 Einwohner sofort und ungefähr 100.000 bis 130.000 in den darauf folgenden Monaten als Folge ihrer schweren Verletzungen getötet worden sein. In Nagasaki waren mehr als 20.000 Tote am Tage des Atombombenabwurfs zu beklagen, ungefähr 40.000 starben bis zum Ende des Jahres 1945. Die Zahl der Verletzten betrug 70.000. Diese Demonstrationen von bis dahin unvorstellbarer militärischer Stärke hatten sich weniger gegen den bereits geschlagenen japanischen Militarismus als vielmehr gegen die UdSSR gerichtet, die von den maßgeblichen Kreisen des US-Imperialismus als der entscheidende Widerpart beim angestrebten Versuch der Errichtung einer globalen politischen, ökonomischen und militärischen Hegemonie der Vereinigten Staaten identifiziert wurde. Die Perspektive eines Krieges gegen die Sowjetunion wurde in Washington bereits in den engsten Zirkeln der Macht diskutiert. Joseph C. Grew, stellvertretender Außenminister der USA, schrieb nur wenige Tage nach der Kapitulation des faschistischen Deutschlands in sein Tagebuch: „Ein Krieg mit Russland ist so sicher wie irgend etwas auf der Welt nur sein kann. Er mag innerhalb weniger Jahre ausbrechen. Wir sollten deshalb darauf achten, unsere militärische Stärke aufrecht zu erhalten.“5

Mit derartigen Anschauungen korrespondierten auch die Handlungen von US-amerikanischen und britischen Militärbefehlshabern in Deutschland und Italien, gefangen genommene Einheiten der Nazi-Wehrmacht als geschlossene Formationen bestehen zu lassen und ihre Waffen bereit zu halten, um sie gegebenenfalls gegen die Rote Armee einzusetzen.6 Kurz und bündig erklärte hierzu der britische Feldmarschall Bernard Law Montgomery, der einen Befehl seines Premierministers Churchill erhalten hatte, Kontingente der Wehrmacht in Norddeutschland zu konzentrieren: „Meiner Ansicht nach waren die herannahenden Russen gefährlicher als die geschlagenen Deutschen.“7

Auch die bereits unmittelbar nach der bedingungslosen Kapitulation Hitlerdeutschlands begonnene Anwerbung von Angehörigen der Wehrmacht, der Geheimdienste und der SS, die als „Spezialisten“ für die Planung, Vorbereitung und Führung eines zukünftigen Krieges gegen die Sowjetunion dienen sollten, gehört in diesen Zusammenhang.8

Doch vor allem das große Ansehen der UdSSR in bedeutenden Teilen der Bevölkerung der USA und Großbritanniens wie in der gesamten Weltöffentlichkeit, besonders bei den ehemaligen alliierten Soldaten, ermöglichte keinen abrupten Übergang zu einer von Feindschaft geprägten Politik gegenüber dem ersten sozialistischen Staat.

Der damalige US-Außenminister James F. Byrnes und der britische Kriegspremier Winston S. Churchill sind unverdächtige Zeugen für die großen Sympathien, die in ihren Ländern der Sowjetunion entgegengebracht wurden. Byrnes gab zu Protokoll: „Wenn man sich die Stimmung Amerikas gegenüber Russland ins Gedächtnis ruft, wie sie in den Tagen unmittelbar nach der deutschen Kapitulation herrschte, wird man zugeben, dass die Sowjetunion in den Vereinigten Staaten ein Guthaben an Hochachtung besaß, dass so groß und vielleicht noch größer war als das jedes anderen Landes.“9 Und Churchill formulierte in gleichem Sinne in seinen Memoiren: „Durch ihren Kampf gegen Hitler hatten die Völker Russlands unendliche Zuneigung im Westen gewonnen, nicht zuletzt in den Vereinigten Staaten.“10

Der Weg von der Kooperation im Kampf gegen den deutschen Faschismus zu einer globalen Konfrontation mit der Sowjetunion war deshalb nach dem Tod von Präsident Franklin D. Roosevelt am 12. April 1945 zwar begonnen, aber erst im Jahre 1947 weitgehend vollendet worden.11 Von nun an war der Kalte Krieg, den der ehemalige britische Kriegspremier Winston Churchill am 5. März 1946 mit einer Ansprache in Fulton/Missouri12 und der US-Präsident Harry S. Truman mit einer Rede vor beiden Häusern des Kongresses in Washington am 12. März 194713 öffentlichkeitswirksam eingeläutet hatten, die dominierende Tendenz in den internationalen Beziehungen.14 Die „Eindämmung des Kommunismus“ (containment), das „Wandeln am Rande des Abgrunds“ (brinkmanship), ja selbst die Orientierung auf eine auch militärisch zu planende „Zurückdrängung“ (roll back) der Sowjetunion und die „Befreiung“ (liberation) der sozialistischen und volksdemokratischen Länder in Europa und Asien standen zukünftig in der Hauptstadt der USA an vorderster Stelle der politischen Agenda.15

Es galt in diesem Zusammenhang die Frage zu beantworten, in welcher Weise die exklusive Verfügung über Atomwaffen für die Durchsetzung der US-amerikanischen Interessen nutzbar gemacht werden könnte. Die Antwort lautet: Es schlug die Stunde der „Atomdiplomatie“.16 So führten z. B. die auf den zahlreichen Außenministerkonferenzen der vier alliierten Siegermächte agierenden Chefdiplomaten der USA den Vertretern der UdSSR in ihrem Auftreten unmissverständlich vor Augen, dass sie „in ihrer Tasche die Atombombe“ trugen.17 Denn mit der neuen Massenvernichtungswaffe in der Hinterhand, so lautete die vorherrschende Denkungsart in Washington, verfügten die USA über ein scheinbar wirksames Droh- und Erpressungsinstrument, um der UdSSR jederzeit ihren Willen aufzwingen zu können.

Der prominente Bürgerrechtler und Pazifist A. J. Muste brachte im Juli 1946 die Verlogenheit eines solchen Verhaltens in einem Brief an den späteren Außenminister John Foster Dulles präzise zum Ausdruck: „Ist es nicht so, dass wir von den Russen verlangen, den ‚Eisernen Vorhang’ in Europa zu lüften, während wir zugleich eine festen ‚Atomaren Vorhang’ errichten?“18

Atomkriegspläne der USA gegen die Sowjetunion

Zugleich beinhaltete die Politik der USA, ein dicht geknüpftes, weltweites Netz von Militärstützpunkten zu installieren, um von hier aus Atomschläge gegen die Sowjetunion ausführen zu können.19 Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden zahlreiche „vorgeschobene“ Stützpunkte (forward bases) für die Bomberflotte der Vereinigten Staaten im Ausland angelegt, zunächst in Großbritannien20, dann u.a. in Französisch-Marokko, Libyen, Spanien, Grönland und im asiatisch-pazifischen Raum, darunter auf Guam, Okinawa, Taiwan sowie in Japan und Südkorea. Zusätzlich kamen seit dem Ende der fünfziger Jahre Abschussbasen für Mittelstreckenraketen des Typs „Jupiter“ und „Thor“ in Italien, in der Türkei und Großbritannien sowie seit Anfang 1954 in der BRD (Hahn Air Base, Sembach Air Base, Bitburg Air Base) stationierte Marschflugkörper der Typen „Matador“ und „Mace“ hinzu, die Ziele auch im Hinterland der UdSSR angreifen konnten. In der Nähe von Bitburg (bei Rittersdorf und Idenheim) befanden sich insgesamt 16 „Mace“-Marschflugkörper in verbunkerten Stellungen in ständiger Alarmbereitschaft, so dass sie innerhalb von maximal 15 Minuten abgeschossen werden konnten. Ihre atomaren Sprengköpfe verfügten über die 60fache Vernichtungskraft der Hiroshima-Bombe.21

Oft wurden die „verbündeten“ Regierungen der USA gar nicht oder verspätet darüber informiert, dass auf den Stützpunkten der U.S. Air Force Atombomben gelagert wurden bzw. Langstreckenbomber diese Flughäfen mit Nuklearwaffen an Bord anflogen. 1957 verfügte das Strategic Air Command (SAC), dem die Langstreckenbomber und Interkontinentalraketen unterstanden, über insgesamt 68 Stützpunkte, von denen sich mittlerweile nicht weniger als 30 außerhalb der USA befanden.22 Wie ein tödlicher Ring umschlossen sie das Territorium der Sowjetunion. General Leslie Groves, der im Rahmen des „Manhattan-Projektes“ in der Zeit des Zweiten Weltkrieges für die Entwicklung und Herstellung von Atombomben verantwortlich war, formulierte bereits frühzeitig – am 22. August 1945! – die durchaus zutreffende Auffassung, dass die Verfügung über dieses weltweit existierende Netz von Stützpunkten für die Kernsprengköpfe tragenden Waffensysteme des SAC, aber auch die von den USA eingeforderten Überflug- und Landerechte für die strategischen Bomber, nicht für die kommenden zehn Jahre geplant werden müsse, sondern für einen Zeitraum von fünfzig bis einhundert Jahre.23

Aber es blieb nicht allein bei der „Atomdiplomatie“ und dem Aufbau von Stützpunkten für atomare Trägersysteme. Denn bereits 1945 begannen die Vereinigten Stabschefs der US-Streitkräfte, konkrete Atomkriegspläne gegen die Sowjetunion zu schmieden. Am Anfang stand eine Ausarbeitung vom 3. November 1945 mit der „Empfehlung“, im Kriegsfalle 20 Städte in der UdSSR atomar zu zerstören. Es handelte sich dabei um Moskau, Gorki, Kuibyschew, Swerdlowsk, Nowosibirsk, Omsk, Saratow, Kasan, Leningrad, Baku, Taschkent, Tscheljabinsk, Nishni Tagil, Magnitogorsk, Molotow, Tiblissi, Stalinsk, Grosny, Irkutsk, Jaroslawl.24 Neben der Begründung, wichtige militärische und Industrieanlagen sowie die entscheidenden administrativen Zentren vernichten zu wollen, wurde die unterschiedslose Massenvernichtung von Menschen als Ziel der Bombardierung der genannten Städte definiert. Hierzu wurde unumwunden formuliert, dass „es zu den wichtigsten Besonderheiten der Atomwaffen gehört, Menschenansammlungen vernichten zu können, und von dieser Besonderheit muss man zusammen mit ihren anderen Eigenschaften Gebrauch machen.“25

An dieser Stelle sollte nicht vergessen werden, dass bei der Niederschrift dieses Atomkriegsplanes erst zwei Monate vergangen waren, seit das japanische Kaiserreich seine bedingungslose Kapitulation am 2. September 1945 erklärt hatte, die auch durch den konzentrierten Einsatz von Einheiten der Roten Armee auf dem asiatischen Festland zustande kommen konnte. Die UdSSR hatte auf wiederholtes Drängen der Truman-Administration am 8. August, zwei Tage nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima, Japan den Krieg erklärt und eilig kampferprobte Truppen von Europa nach Ostasien (Mandschurei, Korea) verlegt. Am 20. August kapitulierte die aus circa einer Million Soldaten bestehende japanische Kwantungarmee angesichts der überlegenen sowjetischen Truppen, die etwa 40.000 Gefallene und Verwundete zu beklagen hatten. Die zitierte Ausarbeitung der Vereinigten Stabschefs der USA zielte also auf einen engen Verbündeten, mit dessen Hilfe soeben der deutsche Faschismus und der japanische Militarismus besiegt werden konnten.

In den kommenden Jahren folgten immer neue, aktualisierte Atomkriegspläne der USA gegen die Sowjetunion. So wurden unter anderem am 1. Mai 1947 die „Leitlinien für die strategische Planung“ formuliert, in denen die Stabschefs der US-Streitkräfte zusätzlich zur Zerstörung der genannten zwanzig Städte die atomare Vernichtung der Ölfördergebiete und Industriezentren im Ural sowie im Kaukasus planten. Die dafür vorgesehenen Bomber sollten von Großbritannien, „im Gebiet Kairo-Suez“ und von Flugplätzen in Indien starten.26 Über das Ziel einer damit synchron zu vollziehenden Offensive von Landstreitkräften der USA und der mit ihnen verbündeten Armeen heißt es: „Die Alliierten könnten es als ausreichend ansehen, nur bis zu einer gewissen, strategisch bedeutsamen natürlichen Schranke vorzurücken und dort eine Front zu errichten, von deren Hinterland die Zerstörung des sowjetischen Militärpotentials durch Luftangriffe fortgesetzt werden könnte, bis das sich daraus ergebende Chaos das Sowjetvolk davon überzeugt hätte, dass weiterer Widerstand zwecklos ist.“27

Am 19. Dezember 1949 verabschiedeten die Vereinigten Stabschef ihren Kriegsplan „Dropshot“, der unter anderem diesen ebenso interessanten wie die Kriegsziele der USA entlarvenden Gedanken enthielt, der die Überlegungen vom Mai 1947 weiter führte: „Obwohl die anfängliche alliierte Strategie gegen die UdSSR das Schwergewicht auf die Durchführung schwerer atomarer und konventioneller Bombenangriffe gegen ausgewählte und ausschlaggebende Ziele sowie auf eine Fortsetzung der Luftoffensive bis zur sowjetischen Kapitulation legen sollte, ist es unklug anzunehmen, das der vollständige Sieg allein durch die Luftoffensive errungen werden kann. Die Verwirklichung unserer Kriegsziele wird unzweifelhaft die Besetzung bestimmter strategisch wichtiger Gebiete mit größeren alliierten Landstreitkräften erfordern und könnte einen größeren Landfeldzug notwendig machen.“ Und weiter: „Eine frühe Kapitulation der UdSSR könnte möglicherweise das Ergebnis eines atomaren Bombardements von solch durchschlagender Wirkung sein, dass die gesamte Nation dadurch gelähmt wird. Wenn dieser Fall eintritt, dann sollten Schritte unternommen werden, um eine Kapitulation der sowjetischen Truppen zu erreichen, sie zu entwaffnen und ein Kontrollsystem zu errichten, bevor das Land Zeit hatte, sich von dem Schock zu erholen.“28 Für derartige Angriffe waren „ungefähr 75 bis 100 Atombomben“ vorgesehen, die speziell Anlagen zur Produktion und Lagerung von Kernwaffen vernichten sollten, während zur Zerstörung der Verkehrsinfrastruktur, von Nachschubbasen und Truppenkonzentrationen „100 zusätzliche Atombomben“ benötigt würden.29

Zum Zeitpunkt der Konzipierung dieses Kriegsplanes, dies sollte an dieser Stelle unbedingt hervorgehoben werden, verfügte die UdSSR über keine einzige einsatzbereite Atombombe und kein einziges Trägersystem, um eine Kernwaffe in die USA transportieren zu können. Der Aufstieg zur Atommacht gelang ihr erst im Verlaufe der fünfziger Jahre.

Die Sowjetunion wird Atommacht

Mit dem erfolgreichen Test einer Atombombe auf dem Versuchsgelände von Semipalatinsk (Kasachstan) war es der UdSSR am 29. August 1949 gelungen, das Kernwaffen-Monopol der USA zu brechen. Sie hatte damit die Voraussetzungen geschaffen, sich als zweite Nuklearmacht zu etablieren.30 Dieser Test traf die Militärs und die Geheimdienste in den Vereinigten Staaten vollkommen überraschend. Sie waren davon überzeugt, dass die Sowjetunion frühestens in der Mitte der fünfziger Jahre imstande sein könnte, eine Kernwaffenexplosion durchzuführen. So äußerte zum Beispiel im Oktober 1947 General Leslie Groves, dass es sogar fünfzehn bis zwanzig Jahre dauern würde, bevor die UdSSR in der Lage sei, über die Atombombe zu verfügen.31

Eine wichtige Ursache für diese realitätsfremde Annahme war die Vermutung, dass die Sowjetunion keinen ausreichenden Zugang zu Uranvorkommen hätte, eine unverzichtbare Grundlage, um Kernwaffen produzieren zu können.32 Offensichtlich wurde die mit Hochdruck betriebene Förderung des Urans, das in großen Mengen von der SDAG (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) „Wismut“ in Sachsen und Thüringen gefördert wurde, bei weitem unterschätzt.33 General Groves gestand in einem im Oktober 1979 dem Historiker Gregg Herken gewährten Interview, er habe den Zugang der UdSSR zu den Uranvorkommen in der sowjetischen Besatzungszone bzw. in der DDR schlicht „übersehen“ („overlooked“).34

Bereits während des Krieges hatten die USA damit begonnen, die ihnen bekannten weltweiten Uran-Vorkommen möglichst exklusiv für ihre Zwecke auszubeuten. Dies betraf besonders die Uran-Förderung in Kanada, Belgisch-Kongo und Südafrika/Namibia.35 Aus diesen Gründen erklären sich auch die damals „zurückhaltende“ Politik der Vereinigten Staaten gegenüber dem rassistischen, international geächteten Apartheid-Regime und die Beteiligung der CIA am Mordkomplott gegen Patrice Lumumba, dem ersten Ministerpräsidenten des im Juni 1960 unabhängig gewordenen Kongo. Dessen öffentlich geäußerten anti-imperialistischen Anschauungen und sein Streben nach freundschaftlichen Beziehungen mit der UdSSR hatten tiefes Misstrauen bei den politisch Verantwortlichen in Washington hervorgerufen und die Befürchtung genährt, sich künftig nicht mehr die reichen Uran-Vorkommen dieses Landes nach Belieben aneignen zu können.36 Dank der Förderung des Urans bei der SDAG „Wismut“, die Anfang der fünfziger Jahre zum weltweit bedeutendsten Lieferanten dieses Erzes avanciert war, konnten die Planungen der USA, möglichst alle relevanten Uran-Vorkommen der Welt unter ihren Einfluss zu bringen, vereitelt werden.

Die ökonomische Lage in der UdSSR nach 1945

Die oben skizzierten Atomkriegspläne der Vereinigten Staaten beinhalteten als Ausgangspunkt die absurde Annahme einer Aggression sowjetischer Truppen gegenüber den Staaten Westeuropas und den USA. Zeitgleich wurden der Öffentlichkeit mit großem medialen Aufwand „alternative Fakten“ offeriert, denen zufolge die sowjetischen Streitkräfte in der Lage wären, innerhalb kürzester Frist bis an die Atlantikküste vorzurücken und einen plötzlichen nuklearen Angriff auf die Vereinigten Staaten auszuführen.

Die sowjetischen Streitkräfte verfügten jedoch noch für einen längeren Zeitraum über gar keine bzw. über keine relevante Anzahl einsatzbereiter Kernwaffen. Nach den Angaben des „Bulletin of the Atomic Scientists“ der USA aus dem Jahre 1994 entwickelte sich das Verhältnis der einsatzbereiten Kernwaffen der USA und der UdSSR in den ersten Jahren des Kalten Krieges folgendermaßen. 1949: USA – 170, UdSSR – 1; 1952: USA – 841, UdSSR – 50; 1955: USA – 2.422, UdSSR – 200; 1957: USA – 5.543, UdSSR – 650.37 Angesichts dieser Zahlen ist die Aussage in der Einleitung des für unsere Thematik unverzichtbaren Dokumentenbandes von Bernd Greiner und Kurt Steinhaus nicht zutreffend: „Bereits 1949 verfügte die UdSSR über einsatzfähige Atomwaffen und 1953 über Wasserstoffbomben.“38 Vor allem mangelte es an geeigneten Raketen und Kampfflugzeugen, um das Territorium der USA erreichen zu können.

Absichtsvoll wird von vielen bürgerlichen Historikern – wie auch von den meisten der in den Anfangsjahren des Kalten Krieges handelnden Politikern und Militärs in den USA – vollkommen außer Acht gelassen, dass die UdSSR wenige Jahre nach dem Ende der faschistischen Okkupation mit ihren desaströsen Folgen nicht annähernd über die ökonomischen Ressourcen verfügen konnte, um einen Angriffskrieg zu beginnen, abgesehen davon, dass die Auslösung einer militärischen Aggression der politischen Logik der Regierenden im Kreml diametral entgegengesetzt war.39

Welcher Tatsachen sollte man sich erinnern? Von Moskau westwärts bis zur Staatsgrenze hatten die faschistischen Truppen im Zuge der von ihnen praktizierten „Strategie der verbrannten Erde“ bei ihrem Rückzug eine Zone der Verwüstung hinterlassen. Städte, Dörfer, Fabriken, Förderanlagen, landwirtschaftliche Betriebe, wissenschaftliche Institute und Verkehrswege mussten zum Teil vollkommen neu errichtet werden. Weit mehr als 20 Millionen Sowjetbürger waren der faschistischen Aggression zum Opfer gefallen. Unter den demobilisierten Soldaten befanden sich zwei Millionen Invaliden, darunter fast eine halbe Million mit Arm- oder Beinamputationen. Die Lage der Bevölkerung, besonders im europäischen Teil des Landes, war durch Mangel und Entbehrungen gekennzeichnet. Nicht zuletzt fehlte es an menschenwürdigem Wohnraum, an Bekleidung, Brennmaterial, medizinischen Ausrüstungen und Medikamenten.40 Es kam zu Erscheinungen der Verwahrlosung und steigender Kriminalität, nicht zuletzt bei den zahlreichen, elternlos aufwachsenden und im Lande vagabundierenden Kindern und Jugendlichen.41 In vielen bedeutenden Bereichen der Industrie, des Bergbaus und der Landwirtschaft hatte die Sowjetunion im Jahre 1950 immer noch nicht das Vorkriegsniveau erreicht (zum Beispiel in der Getreide-, Fahrzeug- und Stahlproduktion). In den Kolchosen waren vor dem Krieg 17 Millionen Sowjetbürger beschäftigt, 1946 waren es noch 6,5 Millionen – überwiegend Frauen und ältere Männer.42 Die von den Nazi-Okkupanten verursachten Schäden bezifferten die USA auf 36, die UdSSR auf 128 Milliarden US-Dollar. Zusätzlich wurden Folgeschäden in Höhe von 317 Milliarden Dollar geltend gemacht.43 Die im Januar 1945 dem US-amerikanischen Botschafter Averell Harriman von Josef W. Stalin übermittelte Bitte, die USA möchten der UdSSR einen langfristigen Wiederaufbaukredit in Höhe von 6 Milliarden Dollar gewähren, wurde dilatorisch beschieden und schließlich von der Truman-Administration als nicht existent behandelt. Erschwerend kam hinzu, dass unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen in Europa die Leih-Pacht-Lieferungen an die Sowjetunion beendet worden waren und im Mai 1946 die im Potsdamer Abkommen zugesagten Reparationslieferungen aus der US-amerikanischen Zone an die UdSSR endgültig eingestellt wurden.44

Wie sollte angesichts dessen ein von der Sowjetunion ausgelöster Angriffskrieg geführt werden, wo die Kriege des 20. Jahrhunderts bekanntlich eine auf Hochtouren produzierende, moderne Kriegswirtschaft mit einer uneingeschränkt funktionierenden Infrastruktur zur Voraussetzung haben? Die UdSSR war während des von uns untersuchten Zeitraums strukturell außerstande, einen Krieg, geschweige denn einen Aggressionskrieg gegen die USA und ihre Verbündeten zu führen.

Die Kriegsplanungen der Vereinigten Staaten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges müssen deshalb als das angesehen werden, was sie von Anfang an waren: Planspiele für einen Überraschungsangriff auf die UdSSR bzw. – mit den Worten des US-amerikanischen Publizisten David Talbot – der von den USA ausgeübten „Herrschaft des Atomterrors“.45

NSC-68 – Schlüsseldokument des Kalten Krieges der USA gegen die Sowjetunion

Im Juli 1947 war der Nationale Sicherheitsrat (National Security Council, NSC) ins Leben gerufen worden, um den Präsidenten der Vereinigten Staaten in allen Fragen nationaler Sicherheit zu beraten und fundierte Expertisen zu erarbeiten. An der Spitze des NSC steht der „Sicherheitsberater“ des Präsidenten, der im Gegensatz zu den Außen- und Verteidigungsministern über keine exekutiven Kompetenzen verfügt, aber durch seinen unmittelbaren Zugang zum Präsidenten einen bedeutenden Einfluss auf die außen- und militärpolitischen Entscheidungen der Administration ausüben kann.46 Der Historiker G. William Domhoff urteilte in seiner Analyse über die Entscheidungsträger der US-Außenpolitik, dass seit seiner Gründung der Nationale Sicherheitsrat als „das politische Schlüsselorgan der amerikanischen Politik“ angesehen werden müsse.47 Im Laufe der Jahre erhielt der Nationale Sicherheitsrat einen eigenständigen bürokratischen Apparat mit speziellen Abteilungen für militär- und außenpolitische sowie regionale und wirtschaftspolitische Fragen. An den Sitzungen des NSC nehmen neben dem Präsidenten der Vizepräsident, die Außen-, Verteidigungs- und Finanzminister, der Vorsitzende des Komitees der Vereinigten Stabschefs, der Chef der CIA sowie weitere hohe Regierungsmitglieder und Militärs teil.48

Im April 1950 lag dem Präsidenten und dem Nationalen Sicherheitsrat eine fast 80 Seiten starke, als „top secret“ klassifizierte Expertise mit dem Titel „Ziele und Programme der Vereinigten Staaten für die Nationale Sicherheit“ („NSC-68“) vor, bei der es sich um eines der folgenreichsten Dokumente für die US-Politik in der Zeit des Kalten Krieges handeln sollte.49 Manche der dort getroffenen Einschätzungen über die angeblichen Ziele und Methoden der sowjetischen Politik prägten das Verhalten der Regierenden in Washington für Jahrzehnte. Federführender Autor des Memorandums war Paul Nitze, der Leiter des Planungsstabes im State Department. Er war als „Kenner“ der UdSSR und als Spezialist für die drohenden Folgen eines Atomkrieges zu dieser Arbeit herangezogen worden war.

Will man die im NSC-68 getroffenen Analysen und die aus ihnen gezogenen Schlussfolgerungen zusammenfassen, so ist zunächst hervorzuheben, dass der Sowjetunion der unabänderliche Wille zur Weltherrschaft als vorrangiges Ziel ihrer Politik unterstellt wird. Angestrebt werde von ihr zunächst die Herrschaft über die eurasische Landmasse („the domination ot the Eurasian land mass“); weiterhin strebe der Kreml an, die USA als seinen prinzipiellen Feind zu vernichten.50 Es ginge der UdSSR darum, ihr auf „Sklaverei“ basierendes gesellschaftliches und politisches System auf die gesamte Welt auszudehnen, worauf die USA mit einem Katalog aufeinander abgestimmter Maßnahmen psychologisch-ideologisch, politisch, ökonomisch und militärisch reagieren müsse. „Die Idee der Sklaverei“, so heißt es im NSC-68, müsse durch die Demonstration der „Idee der Freiheit“ bekämpft werden. Wesenseigen sei der sowjetischen Politik ihre „unvermeidliche Militanz“ („inescapably militant“) nach innen und außen, die im totalitären System der UdSSR, im „russischen Imperialismus“ und in der weltweit operierenden revolutionären Bewegung, die von der KPdSU inspiriert und gesteuert werde, zum Ausdruck käme.51

Die Streitkräfte der UdSSR, so heißt es weiter, seien größer dimensioniert, als es für die Verteidigung des Landes notwendig sei. Die Vereinigten Stabschefs der USA hätten analysiert, dass sie über das Potenzial verfügten, Westeuropa zu überrennen, Skandinavien und die Iberische Halbinsel mit einer Invasion zu überziehen und in die Erdöl fördernden Regionen des Nahen und Mittleren Ostens vorzudringen. Luftangriffe gegen England und die USA („continued air operations against the North American continent“) seien ebenso möglich wie Angriffe auf die Schifffahrtsrouten im Atlantik und Pazifik. Angesichts eines in den kommenden Jahren anwachsenden atomaren Potenzials müsste mit überraschenden kriegerischen Aktionen („a strong surprise blow“) der UdSSR gerechnet werden.52 Kurzum: Die Möglichkeit einer auf die Bewahrung des Friedens und auf die Koexistenz mit anderen politischen Systemen ausgerichteten Politik der Sowjetunion wird kategorisch ausgeschlossen.

Welche Handlungen der USA schlägt NSC-68 vor, um dem angeblich unabänderlich aggressiven Charakter der UdSSR entgegenzuwirken? Welche Ziele sollen dabei realisiert werden?

In diesem Memorandum wird eine umfassende Strategie entwickelt mit dem Ziel, den Einfluss der Sowjetunion und der mit ihr sympathisierenden Parteien und Bewegungen in der Welt einzudämmen, ja dauerhaft zu eliminieren. Mehr noch: Langfristig soll auch die Macht der KPdSU in der UdSSR gebrochen und ein gesellschaftliches System installiert werden, welches den Imperativen kapitalistischer Entwicklung und bürgerlicher Gesellschaftsordnungen entspricht. Nicht weniger als ein „regime change“ bildet die anspruchsvolle Perspektive von NSC-68. Insgesamt handelt es sich um ein Ensemble von politischen, psychologisch-ideologischen, ökonomischen und militärischen Maßnahmen, deren Zusammenwirken letztlich die Revision der Folgen und Errungenschaften der Oktoberrevolution bewirken und eine Art von „sozialer Revanche“ der internationalen Bourgeoisie, repräsentiert durch die imperialistische Vormacht Vereinigte Staaten von Amerika, realisieren sollte. Nur einige der wichtigsten Elemente der im Memorandum entwickelten Strategie, die zu den genannten Zielen führen sollte, seien an dieser Stelle summiert.

Zunächst wird hervorgehoben, dass militärische Stärke zu den wichtigsten Bestandteilen von Macht gehöre. Die USA würden weiterhin das Konzept der „Eindämmung“ des Kommunismus verfolgen, wobei die Existenz einer starken militärischen Macht unverzichtbar sei, um die weitere „Expansion“ der UdSSR zu blockieren. Dabei könne es auch nötig sein, die militärische Macht in einer solchen Weise einzusetzen, dass man in Kauf nehmen müsse, sich mitunter kurz vor dem Ausbruch eines Krieges zu befinden („short of war“).53 Das „Wandeln am Rande des Abgrunds“ (brinkmanship) wurde somit Bestandteil einer langfristig angelegten Strategie.

Einen interessanten, ja entlarvenden Widerspruch zu den beschworenen und in den düstersten Farben gemalten „Weltherrschaftsplänen“ der Sowjetunion bilden diejenigen Abschnitte im NSC-68, die sich mit den ökonomischen Möglichkeiten der USA befassen, den Einfluss der UdSSR in der Welt zu minimieren, ja auszuschalten. Hier heißt es zum Beispiel, dass die wirtschaftlichen Kapazitäten der USA für eine militärische Aufrüstung des Landes und den Wiederaufbau in Übersee unbegrenzt seien – im Gegensatz zu denen der Sowjetunion. Statistische Angaben zu entscheidenden volkswirtschaftlichen Indikatoren beider Länder unterstreichen dies recht eindrucksvoll. Die nahe liegende Frage, wie ein Land imstande sein soll, ungeachtet der verheerenden Folgen des Krieges mit Hitlerdeutschland, eine aggressive Politik zu treiben, die angeblich auf die Eroberung West-, Süd- und Nordeuropas sowie des Nahen und Mittleren Ostens ausgerichtet ist, bleibt angesichts des vorgelegten Zahlenmaterials vollkommen unbeantwortet und unerklärlich.54 NSC-68 widerlegt sich in diesem Punkt selbst.

Von großem Interesse sind diejenigen Abschnitte, in denen ein zukünftiger Krieg mit der UdSSR diskutiert wird. Dabei ist hervorhebenswert, dass „some Americans“, im Klartext: führende Politiker wie Militärs, eine Entscheidung favorisieren würden, in naher Zukunft bewusst einen Krieg gegen die Sowjetunion auszulösen („to go to war against the Soviet Union in the near future“).55 Von den Befürwortern dieser Anschauung werde unter anderem argumentiert, dass nur mit den Mitteln eines Krieges die USA imstande und ihre Bevölkerung bereit sein würden, ihre gesamten Ressourcen mit Erfolg gegen den Drang der UdSSR zur Weltherrschaft einzusetzen. Dies sei ein starkes Argument („powerful argument“), das von den Autoren von NSC-68 aber nicht wegen grundsätzlicher Überlegungen abgelehnt wird, etwa aus völkerrechtlichen oder moralischen Gründen, sondern weil man bezweifle, dass dadurch die Fähigkeit des sowjetischen Militärs außer Kraft gesetzt werden könnte, mit einer Invasion „Eurasiens“ zu antworten. Außerdem bestünde die Gefahr, dass viele Bürger der USA eine derartige Aggression nicht als einen „gerechten Krieg“ interpretieren würden.56

Dass die USA dennoch einen „ersten Schlag“ führen könnten, wird von NSC-68 unter der Voraussetzung für denkbar und legitim gehalten, wenn dadurch ein unmittelbar bevorstehender Angriff der Sowjetunion zu verhindern wäre („before the Soviet blow is actually delivered“).57 Eine derartige Aggression wird seitdem in den Dokumenten der USA und der NATO verharmlosend als „pre-emptiver Krieg“ („pre-emptive strike“) bezeichnet.

Im Kampf gegen die Sowjetunion seien außerdem, so heißt es in NSC-68 weiter, „dynamische Maßnahmen“ zu planen, um die Macht und den Einfluss „des Kreml“ innerhalb der UdSSR und anderer von ihm „kontrollierter Gebiete“ zu reduzieren. Das Ziel bestünde darin, „freundliche Regime zu etablieren“58 – gemeint ist damit selbstverständlich: „freundlich“ gegenüber dem US-Imperialismus. In diesem Zusammenhang seien „verdeckte Aktionen“ der ökonomischen sowie der psychologischen und politischen Kriegsführung zu praktizieren, wobei „Unruhen und Revolten in ausgewählten, strategisch bedeutsamen ‚Satellitenstaaten’ unterstützt“ werden müssten („supporting unrest and revolt in selected strategic satellite countries“).59 Eine wichtige Rolle könnte in diesem Zusammenhang die Stimulierung des Nationalismus spielen.

Für die Innenpolitik der USA und die Haushaltspolitik des Kongresses beinhaltet NSC-68 den Appell, die finanziellen Aufwendungen für die notwendige Aufrüstung der US-amerikanischen Streitkräfte deutlich zu erhöhen, wozu Steuererhöhungen und ein Absenken der Ausgaben für soziale Zwecke notwendig seien.60

Insgesamt ist das Memorandum NSC-68, dass die Blaupause der Strategie der Vereinigten Staaten in den fünfziger Jahren gegenüber der UdSSR darstellte und hier nur in Umrissen skizziert werden konnte, ein Schlüsseldokument des Kalten Krieges, das unmissverständlich den Anspruch der USA auf alleinige Weltherrschaft formulierte und ein adäquates und differenziertes Programm zur Realisierung dieses Anspruchs entwickelte: NSC-68 beanspruchte „die globale Vorherrschaft. Die darin enthaltenen Risiken waren groß“61, lautet das zutreffende Urteil des US-amerikanische Historikers Melvyn P. Leffler.

Die dem Memorandum zugrunde liegenden antisowjetischen und allgemein menschenverachtenden Anschauungen wirkten weit in die Zukunft, beeinflussten das Denken und Handeln mehrerer Politiker-Generationen und wurden vor allem in der Zeit der Reagan-Administration revitalisiert. Der seinerzeit von Ronald Reagan am 8. März 1983 in einer Ansprache in Orlando geprägte Begriff von der Sowjetunion als dem „Reich des Bösen“ („empire of the evil“)62 entspricht durchaus der Logik des Memorandums NSC-68.

91 atomare Ziele in Ost-Berlin

In den 1950er Jahren war die Strategie der USA im Falle eines Krieges gegen die Sowjetunion von der so genannten „massiven Vergeltung“ (massive retaliation) bestimmt. Das bedeutete, dass bereits zu Beginn von Kampfhandlungen alle verfügbaren Atomwaffen gegen die UdSSR und ihre Verbündeten, einschließlich der Volksrepublik China, eingesetzt werden sollten. Als Ziel wurde die völlige Zerstörung der „feindlichen“ Staaten des „sino-sowjetischen Blocks“, ihrer militärischen, wirtschaftlichen, politisch-administrativen und wissenschaftlichen Zentren ebenso angestrebt wie die Erzielung größtmöglicher Verluste der Zivilbevölkerung durch vernichtende Atomschläge. Durch jüngst veröffentlichte Dokumente aus dem Jahre 195663 wissen wir, welche und wie viele Ziele in der Sowjetunion und in den Staaten des Warschauer Vertrages, darunter in der DDR, ausgelöscht werden sollten. Dabei gilt es, folgenden Gesichtspunkt zu beachten. Die Auswahl und die Anzahl der identifizierten Ziele war vom Strategic Air Command vorgenommen worden. Die von der U.S. Army und der U.S. Air Force abgefeuerten Raketen und Marschflugkörper, die mit ihren Kernsprengköpfen von West- und Südeuropa bzw. von Asien aus ebenfalls Ziele in der UdSSR, der Volksrepublik China oder anderen sozialistischen Ländern anfliegen sollten, sind bei den genannten Zielen in den jetzt frei gegebenen Dokumenten nicht in jedem Falle berücksichtigt worden. Gleiches gilt für die Kernwaffen tragenden Jagdbomber der U.S. Air Force sowie für die auf Flugzeugträgern stationierten Kampfjets der U.S. Navy.

In der DDR existierte eine Vielzahl von Zielen des SAC, von denen hier nur einige beispielhaft genannt werden sollen: In Schönwalde bei Berlin wurden 2, in Bautzen, Kamenz, Bernau, Oranienburg, Borna und Velten jeweils 3, in Bernburg, Bad Schandau und Hennigsdorf jeweils 4, in Altenburg 5, in Bautzen 7 und in Potsdam 8 Ziele für Atombomben identifiziert. Die Liste ließe sich fast beliebig verlängern. Die mit Abstand meisten Ziele wurden in Ost-Berlin ausgewählt.64 Nicht weniger als 91 Ziele innerhalb der Stadt, in ihren Vororten sowie die in ihrer Nähe liegenden Militärflugplätze und Kommandoeinrichtungen der sowjetischen Streitkräfte waren vom SAC identifiziert worden. Unter ihnen befanden sich die nahe gelegenen Militärflughäfen in Groß-Dölln bei Templin, in Welzow, in Briesen und in Werneuchen. Auch der im Süden der Stadt gelegene Zivilflughafen Schönefeld sollte mit einem Kernwaffenangriff zerstört werden.

Atomar vernichtet werden sollten in Ost-Berlin Industrieanlagen, Elektrizitätswerke, nicht weniger als 20 Bahnhöfe sowie Instandsetzungs- und Ausrüstungswerke für Eisenbahnen, Brücken, Rundfunk- und Fernsehstationen (allein hier waren 6 Ziele für Kernwaffen ausgewählt worden), Binnenhäfen, Treibstofflager, militärische und Wissenschaftseinrichtungen sowie Gebäudekomplexe, in denen staatliche Behörden untergebracht waren. Ausnahmslos wurde bei allen genannten Zielen in Ost-Berlin und in den nahe der Stadt gelegenen Orten als eine Absicht der atomaren Bombardierung „population“ genannt: Die Vernichtung der Zivilbevölkerung in Ost-Berlin und Umgebung war einer der vom SAC beabsichtigten Zwecke des Einsatzes von Kernwaffen.

Angesichts der bereits erwähnten Strategie der „massiven Vergeltung“, bereits am Beginn von Kampfhandlungen möglichst sämtliche vorhandenen Kernwaffen einzusetzen, wären die Folgen für die DDR apokalyptisch gewesen. Sie übersteigen jede menschliche Vorstellungskraft. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre vom ersten sozialistischen deutschen Staat eine auf unabsehbar lange Zeit atomar verseuchte Mondlandschaft mit vielen Millionen Toten und Verletzten übrig geblieben, zumal jede einzelne der detonierten Atombomben über ein Vielfaches der Vernichtungskraft der Bomben von Hiroshima und Nagasaki verfügten: Die für Angriffe auf Ost-Berlin und die DDR vorgesehenen Atombomben besaßen eine Sprengkraft von jeweils 1,7 bis 9 Megatonnen; das entsprach der siebzig- bis 630fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe! Da die Zielplanungen des SAC beinhalteten, einen möglichst großen Anteil der Bevölkerung zu töten, waren sogar Produktionsstätten von Penicillin für die Zerstörung durch Atombomben vorgesehen, das für die medizinische Versorgung von Überlebenden nach einem Angriff mit Kernwaffen dringend vonnöten gewesen wäre. Es bleibt festzuhalten, dass bereits bei einem Angriff auf nur einige der atomar zu vernichtenden Ziele in Ost-Berlin katastrophale Folgen für die Bevölkerung eingetreten wären, weit über die Stadt hinausreichend.

Selbstverständlich hätte die Perspektive vollkommener Zerstörung Ost-Berlins auch für die Einwohner im westlichen Teil der Stadt und für die dort stationierten etwa 12.000 Soldaten und Tausenden zivilen Mitarbeiter der westalliierten Garnisonen und anderen Dienststellen gegolten. Dies galt umso mehr, als der „versehentliche“ Abwurf von Atombomben auf das Territorium West-Berlins angesichts der damals mangelnden Zielgenauigkeit und wegen der unmittelbaren Nähe von Zielen zur Grenze nach West-Berlin unvermeidbar gewesen wäre. Die Detonationswellen, der Feuersturm und der radioaktive Fall Out hätten in jedem Falle verheerende Folgen für alle Teile der Stadt verursacht. Diese Resultate der massiven Atombombenangriffe auf Ost-Berlin wurden in den Ausarbeitungen des Strategic Air Command jedoch nicht reflektiert, sondern offenbar billigend in Kauf genommen. Im Übrigen hätten die „atomaren Wolken“ ihren Weg – je nach der Windrichtung – bis in weit entfernte Winkel der Welt nehmen und fernab von Mitteleuropa noch tödliche Strahlen aussenden können.

Wes Geistes Kind die Zielplaner des Strategic Air Command, die Vereinigten Stabschefs und die Politiker in höchsten Regierungsämtern waren, die derartige Kriegspläne zu bestätigen hatten, vermag das folgende Zitat zu verdeutlichen: Captain William Moore, Verbindungsoffizier der U.S. Navy beim SAC, notierte nach einem „Kriegsspiel“ im Jahre 1954, bei dem der Abwurf von 600 bis 750 Atombomben über der UdSSR simuliert wurde: „Mein Eindruck war schließlich,

dass Russland innerhalb von zwei Stunden so gut wie nichts anderes als eine rauchende, verstrahlte Ruine sein würde.“65

In den Zielplanungen des Jahres 1956 war übrigens vorgesehen, allein in Moskau 179 und in Leningrad 145 Ziele mit Kernwaffen anzugreifen, während für Peking „nur“ 23 Ziele für Atombomben ausgewählt worden waren!

Die militärischen Potenziale der Sowjetunion und der „Sputnik-Schock“ in den USA

Von der überaus schwierigen ökonomischen Situation der Sowjetunion in den Nachkriegsjahren war bereits die Rede. Wie stand es aber um die militärischen Potenziale des Landes?

Die UdSSR verfügte zum Zeitpunkt des soeben skizzierten Kriegsplanes des Strategic Air Command über ein vergleichsweise nur geringes Arsenal von Atomwaffen und weit reichenden Trägermitteln.66 Dennoch wurde in Washington mit großem propagandistischen Aufwand eine „Bomber“- und eine „Raketen-Lücke“ der USA im Vergleich zu den Potenzialen der Sowjetunion behauptet.67 In diesem Zusammenhang spielte der so genannte Sputnik-Schock eine wesentliche Rolle. Worum handelte es sich dabei?

Mit dem erfolgreichen Start des Satelliten „Sputnik-1“ durch eine Interkontinentalrakete R-7 („Snapwood“) am 4. Oktober 1957, war es der Sowjetunion als erstem Land der Welt gelungen, einen künstlichen Erdtrabanten in eine Umlaufbahn zu schicken. Zugleich war mit dieser überraschenden Aktion demonstriert worden, dass sich die ökonomischen und sozialen Verhältnisse in der UdSSR zwölf Jahre nach den Schrecken der faschistischen Okkupation konsolidiert hatten, ja dass das Land in der Lage war, fortgeschrittenste Technik zu entwickeln und anzuwenden.

Der „Assistent Director“ der CIA, Dr. Herbert Scoville, jr., äußerte vor dem „Komitee der Wissenschaftler und Ingenieure“, das Präsident Eisenhower in wissenschaftlich-technischen Fragen beriet, „dass die Russen nunmehr in Front vor den USA liegen, was die Anzahl der professionellen Techniker und Wissenschaftler“ beträfe.68

Doch bald stellte sich heraus, dass die R-7 Interkontinentalrakete, die in vergleichsweise kleinen Stückzahlen produziert wurde, als Träger von Satelliten, nicht jedoch von Kernwaffen geeignet war. Ungeachtet dessen wurde der „Sputnik-Schock“ in den USA ausgenutzt, um neue Rüstungsprogramme zu initiieren und eine antisowjetische Atmosphäre zu stimulieren, die von einer angeblich aktuellen „Bedrohung“ durch Interkontinentalraketen der UdSSR geprägt war. Es sollte ein Bewusstsein von der eigenen militärischen Unterlegenheit hervorgerufen werden, die es natürlich galt, getreu dem Motto „America First!“, in möglichst kurzer Frist aus der Welt zu schaffen.

Alles dies spielte in den Medien und in den aktuellen politischen Auseinandersetzungen in den Vereinigten Staaten in der zweiten Hälfte der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre eine wichtige Rolle und bestimmte auch in bedeutendem Maße den Präsidentschaftswahlkampf von 1960/61.

Bereits in seinen Reden und Schriften als US-Senator69, vor allem aber während des Präsidentschaftswahlkampfes, war die „Raketenlücke“, die der seit 1953 amtierende Präsident Dwight D. Eisenhower zu verantworten hätte, ein ständig wiederkehrendes Argument des Kandidaten der Demokratischen Partei John F. Kennedy.70 Es sollte die Nachlässigkeiten der Republikaner in der Verteidigungspolitik demonstrieren und seinem Herausforderer Richard M. Nixon schaden, der von 1953 bis 1961 als Vizepräsident unter Eisenhower amtiert hatte. Auch nach seiner Wahl zum US-Präsidenten am 8. November 1960 erklärte Kennedy, dass die USA sich im Vergleich mit den nuklearen Potenzialen der Sowjetunion im Rückstand befänden: „Seit einigen Jahren“, so Kennedy in einer Vorlage für den US-Senat vom 28. März 1961, die bedeutende Finanzmittel für neue Rüstungsprojekte einforderte, „hat man schon in aller Öffentlichkeit zugegeben, dass unser Land bisher nicht die stärkste Raketenmacht der Welt ist.“71 Diese angeblichen „Lücken“ waren jedoch frei erfunden. Die Ergebnisse der Spionageflüge über der UdSSR sowie Informationen aus anderen Quellen72 bewiesen die Absurdität solcher Behauptungen.

Am 4. und 5. Juli 1956 war das in großer Höhe operierende Aufklärungsflugzeug vom Typ Lockheed U-2 von Wiesbaden-Erbenheim aus zum ersten Mal zu ausgedehnten Flügen über die UdSSR gestartet.73 Dabei überflog es Moskau, Leningrad, Kaliningrad, die Ukraine, Belorussland und die baltischen Republiken, wobei mehrere Stützpunkte, auf denen die Stationierung zahlreicher moderner Bomber der sowjetischen Luftstreitkräfte vermutet worden war, und die Schiffswerften in Leningrad photographiert wurden.74 Bei diesen und den folgenden Einsätzen im Luftraum der UdSSR, die stets vom widerstrebenden Präsidenten Eisenhower persönlich genehmigt werden mussten75, wurde der Nachweis erbracht, dass die Anzahl der einsatzbereiten sowjetischen Interkontinentalraketen und Langstreckenbomber weit hinter den entsprechenden Waffensystemen der USA zurückgeblieben war.76

Bereits am 11. April 1958 musste die CIA deshalb in einem geheimen Memorandum dem „Intelligence Advisory Comittee“, das die Geheimdienstaktivitäten der verschiedenen US-amerikanischen Nachrichtendienste koordinierte, das Eingeständnis formulieren, die bisher genannten Zahlen über angeblich in den Arsenalen der sowjetischen Streitkräfte vorhandene Langstreckenbomber nicht länger aufrechterhalten zu können. Lediglich eine einzige Fabrik in Kuibyschew sei momentan damit befasst, den modernen Langstreckenbomber vom Typ TU-95 „Bear“ herzustellen. Die bislang genannte Anzahl von in Dienst gestellten und in den kommenden Jahren produzierten Flugzeugen dieses Typs sei gegenstandslos. Dies gelte analog für Tankflugzeuge zur Steigerung ihrer Reichweite. Die bislang intern verbreiteten und jetzt dementierten Zahlen für in Dienst befindliche Langstreckenbomber lauteten: 150 bis 250 Mitte 1958, 400 bis 600 Mitte 1960. Die von den Luftstreitkräften der UdSSR geplanten Produktionsziffern würden auch in den kommenden Jahren nicht erreicht werden.77

Die Annahme, dass die Ergebnisse der U-2 Spionageflüge die eine völlige Realitätsferne der beschworenen „Bomber“- und „Raketenlücken“ dokumentierten, öffentlich gemacht worden wären, trifft aus verständlichen Gründen nicht zu. Denn dies hätte nicht nur zu einem Autoritätsverlust der Eisenhower- und Kennedy-Administrationen geführt, sondern die Frage im Kongress wie in der Öffentlichkeit aufgeworfen, ob die groß dimensionierten Rüstungsprogramme noch berechtigt gewesen wären.

Noch am 21. September 1961 – Eisenhowers Nachfolger John F. Kennedy war gerade einmal acht Monate im Amt – informierte der Geheimdienst CIA den Präsidenten der USA, dass die UdSSR lediglich über 10 bis 25 einsatzbereite Interkontinentalraketen verfügte und in den kommenden Monaten keine weiteren Raketen, die US-amerikanisches Territorium erreichen könnten, hinzukommen würden. Bislang war die Zahl dieser Waffensysteme von Washington für die Öffentlichkeit jedoch mit 1.000 angegeben worden!78

Tatsächlich verfügte die UdSSR seit der Mitte der fünfziger Jahre über eine wachsende Anzahl von Kurz- und Mittelstreckenraketen, die allerdings nicht die USA, sondern Ziele in West- und Südeuropa angreifen konnten. Dabei ging es besonders um die dort auf verschiedenen Stützpunkten stationierten US-amerikanischen Raketen, Bomber und anderen Kampfflugzeuge, die auf die UdSSR zielten.

Die beschworenen „Lücken“ dienten der Eisenhower-Administration vor allem dazu, ihre groß angelegten Aufrüstungsprogramme zu legitimieren. 1956 war mit dem Verweis auf die nicht existierende „Bomberlücke“ ein Großauftrag für die Produktion von Boeing-B-52-Langstreckenbombern „Stratofortress“ ausgelöst worden. Im gleichen Jahr betrug die Anzahl der einsatzbereiten Boeing B-47-Bomber „Stratojet“ bereits nicht weniger als 1.410. Bis zum September des gleichen Jahres waren bereits 68 der damals modernsten Langstreckenbomber des Typs Boeing B-52 in Dienst gestellt worden. Ihre Zahl stieg in den kommenden Jahren sprunghaft an, da das intensivierte Produktionsprogramm die Fertigstellung von maximal 20 Maschinen im Monat vorsah.79 Im Übrigen unterstand dem Strategic Air Command eine große Flotte von Hunderten Tankflugzeugen, die einen Einsatz der B-47- und B-52-Bomber über dem gesamten Territorium der UdSSR bzw. der Volksrepublik China sowie permanente Patrouillen mit Kernwaffen an Bord in der Nähe der Grenzen der UdSSR gestatteten.80 Ähnliche Möglichkeiten der Luftbetankung von Bombenflugzeugen waren für die sowjetischen Luftstreitkräfte in den fünfziger Jahren nicht vorhanden. Dadurch war es vor allem nicht möglich, die Reichweite des seit der Mitte der fünfziger Jahre produzierten Mittelstreckenbombers Tupolew TU-16 „Badger“ derart zu erhöhen, dass er Ziele überall innerhalb der USA hätte anfliegen können. Es kam hinzu, dass seit der Mitte der fünfziger Jahre die strategischen Bomber der USA verstärkt Angriffe auf die Sowjetunion im Tiefflug übten, um das gegnerische Radar und damit die Luftabwehr der UdSSR, deren Wirksamkeit von der U.S. Air Force übrigens als gering eingeschätzt wurde, ausschalten zu können.81

1957 war der Hinweis auf die angebliche „Raketenlücke“ der vorgeschobene Grund für den Start eines aufwendigen Programms zum Bau von modernen Interkontinentalraketen. Dies alles geschah, obwohl den führenden Militärs und Politikern bekannt war, dass die UdSSR erst 1956 damit begonnen hatte, die ersten Langstreckenbomber vom Typ Tupolew TU-95 „Bear“ in Dienst zu stellen und die wenigen Interkontinentalraketen, vor allem die „Sputnik“-Trägerrakete R-7, bei einem Angriff durch eigene Kernwaffenträger außerordentlich verwundbar waren. Wegen ihrer Größe konnten sie nicht aus unterirdischen Silos abgefeuert werden und waren somit leicht für die Luftaufklärung zu entdecken. Außerdem mussten sie vor ihrem Start mit Flüssigtreibstoff betankt werden. Diese Betankung und die anderen Startvorbereitungen nahmen bis zum Abschuss mindestens 24 Stunden in Anspruch, so dass sie bei einem überraschenden Erstschlag der USA mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschaltet werden konnten.

Eine „Raketen“- und eine „Bomberlücke“ existierte tatsächlich – allerdings auf Seiten der Sowjetunion, die erst an der Wende von den sechziger zu den siebziger Jahren eine annähernde Parität mit dem atomaren Potenzial der USA herstellen und eine gesicherte Zweitschlagskapazität erreichen konnte.

Die Bedrohung der UdSSR durch britische Kernwaffen

Bei einer Analyse der sicherheitspolitischen Lage der UdSSR in den fünfziger Jahren darf nicht ausgeblendet werden, das die Bedrohung der Sowjetunion durch westliche Kernwaffen sich nicht auf die USA beschränkte, sondern auch Großbritannien im Kriegsfalle Ziele in der UdSSR mit Atombomben angegriffen hätte.

Am 3. Oktober 1952 hatten die Briten ihren ersten Atomwaffenversuch in Australien durchgeführt. Großbritannien, das eine sprunghafte atomare Aufrüstung betrieb, verfügte seit 1955 über eine schnell wachsende, moderne Bomberflotte. Von 1955 bis 1960 wurden circa 200 Langstreckenbomber der Typen Vickers „Valiant“, Handley Page „Victor“ und Avro „Vulcan“ in Dienst gestellt, die alle in der Luft betankt werden konnten, um ihre Reichweite zu steigern. Die Avro „Vulcan“ konnte doppelte Schallgeschwindigkeit erreichen. Vor kurzem freigegebene Dokumente belegen, dass diese Atombombenträger vor allem die großen Städte und Industriezentren innerhalb der Sowjetunion in Schutt und Asche legen sollten. Über die Nordsee, Skandinavien (darunter das neutrale Schweden) und die Ostsee sollten sie im Tiefflug in den Luftraum der UdSSR eindringen und ihre tödlichen Lasten zum Beispiel über Leningrad und Kiew abwerfen.82 Anschließend sollten sie auf Zypern, im Iran oder in der Türkei landen. In Kanada und in Libyen hatten die Besatzungen immer wieder Angriffe auf die Sowjetunion im Tiefflug simuliert, um sicherzustellen, dass angesichts der sowjetischen Luftabwehr, die primär gegen in großen und mittleren Höhen operierende Kampfflugzeuge ausgerichtet war, eine möglichst große Zahl von Bombern ihre tödliche Last ins Ziel bringen konnte. Im Übrigen wurde die Bomberflotte der Royal Air Force im Ergebnis jahrelanger Verhandlungen mit den USA seit 1958/59 fest in die operativen Planungen des Strategic Air Command integriert.83 Dies betraf nicht zuletzt die Auswahl der innerhalb der UdSSR zu vernichtenden Ziele. Während die Royal Air Force die atomare Zerstörung sowjetischer Städte in den Mittelpunkt ihrer Zielplanungen stellte, wurden ihr von den Zielplanern des SAC vor allem Flughäfen der sowjetischen Langstreckenbomber, Flugabwehrstellungen sowie für die Produktion und Lagerung von Kernwaffen relevante Ziele zugewiesen. Eine derartige Zielplanung war vor allem dann militärisch sinnvoll, wenn nicht eine Vergeltung für einen sowjetischen Nuklearangriff erfolgen sollte, sondern ein präventiver „Enthauptungsschlag“ geplant war. Mit den Worten des britischen Historikers Ken Young: „It made sense only in terms of a preemptive nuclear strike.“84

Die USA, so stellte es sich bald heraus, saßen bei den komplizierten und langwierigen Gesprächen zur Integration der britischen „V-Bomber“ in die eigenen Luftkriegsplanungen am längeren Hebel. Die Ursache hierfür war nicht zuletzt ein für die Royal Air Force problematischer Sachverhalt: Großbritannien verfügte nicht über genügend selbst produzierte Atombomben, um damit ihre Langstreckenbomber ausrüsten zu können. 1955 befanden sich lediglich zehn, im darauf folgenden Jahr 14 Atombomben in ihren Arsenalen.85 Damit die britischen Bombenflugzeuge im Kriegsfalle überhaupt Kernwaffen über den vorgesehenen Zielen abwerfen konnten, mussten die USA ihrem Verbündeten bis zum Anfang der sechziger Jahre eine nicht geringe Zahl von Atombomben überlassen. Die „special relationship“ zwischen beiden Ländern sah Großbritannien auch hinsichtlich der eigenen Atomstreitmacht zweifellos in der Rolle eines „Juniorpartners“ von der USA Gnaden. Ungeachtet dieser Sachverhalte ist die atomare Bedrohung der Sowjetunion in den 1950er Jahren ohne die Berücksichtigung der großen Anzahl moderner britischer Kernwaffenträger nicht angemessen zu beurteilen.

Die politischen Ziele der atomaren Aufrüstung Großbritanniens

Besonderes Augenmerk verdient die seit einiger Zeit bekannt gewordene Tatsache, dass bereits am 8. Januar 1947 ein spezieller Kabinettsausschuss in streng geheimer Sitzung entschied, eine britische Atombombe zu entwickeln. Treibende Kraft war Außenminister Ernest Bevin (Labour Party), der seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, sein Land könne es sich nicht erlauben, den US-Amerikanern ein Monopol für diese neue Waffe zuzubilligen. Nur als Atommacht könne es auch in Zukunft seinen Großmachtanspruch einlösen, der in den Jahren nach 1945 wegen der unübersehbaren Auflösungserscheinungen des britischen Empire und der prekären wirtschaftlichen Lage stark in Frage gestellt werden musste.86 Bevins Äußerungen während der historischen Sitzung am 8. Januar 1947 wurden wie folgt überliefert: „Wir brauchen dieses Ding, koste es, was es wolle. Wir brauchen den verdammten Union Jack an seiner Spitze.“87

Die Entwicklung und Produktion von Kernwaffen und ihren Trägersystemen geschah zu einem Zeitpunkt, als sich Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg in einer tiefen ökonomischen Krise befand und die Zahlungsfähigkeit des Landes letztlich nur durch US-amerikanische Kredite gewährleistet werden konnte.88 Zwar zählte Großbritannien zu den militärischen Siegern des Zweiten Weltkrieges, ökonomisch war das einstige Weltreich einer der Verlierer.89 Um den anachronistischen Weltmachtanspruch der Herrschenden dennoch aufrechterhalten zu können und fortan imstande zu sein, zumindest die Rolle des Juniorpartners der USA spielen zu können, leistete man sich – koste es, was es wolle – eine in der Geschichte des Landes beispiellos aufwendige Aufrüstung. Dass noch für viele Jahre Lebensmittelkarten, unter anderem für Brot und Kartoffeln, den Alltag der britischen Bürgerinnen und Bürger bestimmen sollten, im Winter 1947 Stromabschaltungen für private Haushalte und Industriebetriebe an der Tagesordnung waren, die Zahl der Arbeitslosen bald die 2-Millionen-Grenze deutlich überschritt und dem dringend reformbedürftigen Sozialsystem durch die atomare Aufrüstung bedeutende Finanzen entzogen wurden – das alles wurde von der Labour-Regierung billigend in Kauf genommen. Es kam hinzu, dass ohne wiederholt gewährte Milliarden-Dollar-Kredite der US-amerikanischen Regierung die Zahlungsfähigkeit des Landes und damit angesichts schwindender Devisenreserven die Fähigkeit, dringend benötigte Importe von Rohstoffen und Lebensmitteln bezahlen zu können, ernsthaft gefährdet worden wäre.90 Dass die Entscheidung, eine eigenständige Atomstreitmacht aufzubauen, zugleich weitere Einschränkungen des privaten Konsums bedeutete und es problematisch sein würde, die Zahlungsbilanz in absehbarer Zukunft wieder ausgleichen zu können, war den wenigen Verantwortlichen durchaus bewusst, die über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, einschließlich ihrer in der Arbeiterklasse verwurzelten Wählerschaft, die Weichen für die Aufstellung einer britischen Atomstreitmacht stellten.91

Die Begründung der Labour-Regierung und des britischen Generalstabs, eine britische Atombombe zu entwickeln, lautete schlicht: Die in der Sitzung des Kabinettsausschusses für Angelegenheiten der Atomenergie diskutierten wirtschaftlichen Risiken müssten in Kauf genommen werden,

weil Großbritannien ansonsten den Weltmachtstatus, der künftig an die Verfügung über nationale Kernwaffen gekoppelt sein werde, verlieren würde. Nur am Rande sei vermerkt, dass alle Ausarbeitungen des Generalstabes und der Geheimdienste – wie die bereits oben zitierten Dokumente ihrer Kollegen in den USA – davon ausgingen, dass die UdSSR in den nächsten Jahren nicht in der Lage sein werde, einen Atombombentest durchzuführen.92 Das Joint Intelligence Committee, das die verschiedenen Informationen der Nachrichtendienste zusammenfasste und dem Kabinett vorlegte, kam zum Beispiel im März 1946 in einer Expertise zu der Annahme, dass es der UdSSR zwar Anfang der fünfziger Jahre gelingen könnte, über die Atombombe zu verfügen, sie aber erst im Zeitraum von 1955 bis 1960 eine nennenswerte Anzahl von Kernsprengköpfen in ihren Arsenalen haben werde.93

Besonderes Augenmerk verdienen diverse Studien der Stabschefs, die bereits kurz nach Kriegsende, als eine Entscheidung zur Produktion britischer Kernwaffen auf absehbare Zeit noch nicht auf der politischen Agenda stand, konkrete Atomkriegspläne mit der UdSSR als zu vernichtendem Gegner ausarbeiteten. Im Januar und April 1946 wurden sowjetische Großstädte als Ziele und die Anzahl der über ihnen abgeworfenen Atombomben identifiziert.94 Dabei war besonders abstoßend, dass – im Gegensatz zu den zeitgleich von den US-Stabschefs festgelegten Zielen in der UdSSR – das völlig zerschundene Stalingrad in einem „separate raid“ mit bis zu neun Atombomben eliminiert werden sollte.95

Im auffälligen Widerspruch zu alledem befand sich übrigens die Prognose der Stabschefs und das Joint Intelligence Committee aus dem Jahre 1946, dass die UdSSR nicht wünschten, mindestens in den kommenden fünf Jahren in einen Krieg involviert zu werden („…that the Russians do not wish to get involved in another war for at least five years…“).96 Im „Overall Strategic Plan“ der Stabschefs vom Mai 1947 lesen wir sogar, dass erst von 1956/57 an die Sowjetunion „vermutlich“ („probably“) sich in der Lage befinden könnte, einige Atombomben sowie biologische Kampfmittel einzusetzen.97

Interessant erscheint aus heutiger Sicht vor allem, dass von der britischen Regierung keinerlei Aktivitäten unternommen wurden, ja offensichtlich nicht einmal entsprechende Überlegungen angestellt worden sind, mit der eben noch eng verbündeten Sowjetunion eine vertragliche Vereinbarung zur Frage der Entwicklung und der Produktion von Atombomben abzuschließen. Stattdessen wurden absurde Illusionen über eine zukünftige Rolle Großbritanniens als „Weltmacht“ kultiviert und im Ergebnis all dessen die vitalen Interessen des Landes der Globalstrategie des US-amerikanischen Imperialismus untergeordnet. Dies geschah unter einer von 1945 bis 1950 im Amt befindlichen Labour-Regierung, die ihren Wählern im Wahlkampf des Sommers 1945 noch versprochen hatte, in Großbritannien den „wahren Sozialismus“ einzuführen und deren Wahlprogramm den anspruchsvollen Titel „Let Us Face The Future!“ trug.98 Doch eingeführt wurden eine Austerity-Politik im Innern und eine zügellose atomare Aufrüstung als ein unmissverständliches Signal in Richtung UdSSR, dass die Erfahrungen und das gewonnene Vertrauen aus den Zeiten des gemeinsamen Kampfes gegen den Faschismus den soeben gewonnenen Frieden nicht überdauern würden. Der Antisowjetismus machte auch vor den Regierungssozialisten nicht Halt.

Wie verhielt es sich in den fünfziger Jahren mit der Entwicklung von französischen Kernwaffen?

Erst am 13. Februar 1960 war die erste französische Atombombe auf einem Testgelände in Algerien gezündet worden. Die französischen Luftstreitkräfte waren bereits kurz darauf imstande, mit von den USA gelieferten Jagdbombern des Typs F-100 „Super Sabre“ und seit 1964 mit der in Frankreich produzierten Dassault „Mirage-IV“, die mehr als doppelter Schallgeschwindigkeit erreichen konnte, Ziele in der UdSSR anzugreifen. Auch sie wären zur Steigerung ihrer Reichweite in der Luft betankt worden. Die dazu notwendigen Tankflugzeuge wurden übrigens von den USA geliefert, ungeachtet der eskalierenden politischen Spannungen zwischen beiden Staaten. Sie hatten ihre Wurzeln in dem im Jahre 1966 von Präsident Charles de Gaulle dekretierten Abzug der US-amerikanischen Truppen aus Frankreich und in der Verlegung des NATO-Hauptquartiers 1967 von Fontainebleau und Versailles nach Mons in Belgien. Während des hier untersuchten Zeitraumes existierte für die UdSSR allerdings noch keine Bedrohung durch französische Kernwaffen.

Atomare Erpressung der Sowjetunion blieb erfolglos

Die Weltherrschafts-Ambitionen der Vereinigten Staaten konnten sich ungeachtet aller Versuche, die UdSSR und ihre Verbündeten zu erpressen, in dem von uns untersuchten Zeitraum letztlich nicht durchsetzen. Auch die von gewissen Militärs und Politikern99, besonders dem Befehlshaber des SAC und späteren Chef des Stabes der U.S. Air Force, General Curtis LeMay100, vorgeschlagenen Pläne für einen Erstschlag gegen die Sowjetunion fanden kein hinreichendes Echo.101 Die Argumentation, man müsse die Sowjetunion militärisch besiegen, so lange es gelingen könnte, den größten Teil ihres

noch gering fügigen Kernwaffenpotenzials durch einen Überraschungsangriff auszuschalten, blieb jedoch eine Konstante in den militärstrategischen Gedankenspielen und Planungen der besonders aggressiven Kräfte des US-Imperialismus.102

General LeMay formulierte seine Sicht eines Atomschlages gegen die Sowjetunion bei einem Vortrag vor der U.S. Naval Academy im April 1956 mit folgenden, vor menschenverachtendem Zynismus triefenden Worten:

Sollte es zu einem Krieg mit der UdSSR kommen, so „würde die Sowjetunion höchstwahrscheinlich von heute auf morgen ihren Status als militärische Großmacht oder sogar als bedeutende Nation verlieren…Dann würde die Sonne auf ein Land scheinen, das unendlich viel ärmer sein würde als China, weniger bevölkert als die Vereinigten Staaten und vielleicht für Jahrhunderte zu einer agrarischen Existenz verdammt.“103 Im Übrigen wirft diese Auffassung des Oberbefehlshabers der US-amerikanischen Langstreckenbomber und Interkontinentalraketen ein bezeichnendes Licht auf die zeitgleich auch von ihm in der Öffentlichkeit behaupteten „Bomber“- und „Raketenlücken“ der Vereinigten Staaten gegenüber der UdSSR.

Es erhebt sich die Frage: Existieren auch in der Gegenwart derartig abenteuerliche Dokumente und menschenverachtende Aussagen in verschwiegenen Gremien? Müssen wir befürchten, dass im Pentagon und vielleicht auch im Weißen Haus nach wie vor nicht nur in den Kategorien des Kalten Krieges gedacht, sondern auch atomar geplant wird? Zu wünschen wäre, dass die Einschätzung des US-amerikanischen Historikers Martin J. Sherwin für

die zukünftige Entwicklung der Welt keine Gültigkeit besitzt: „Hiroshima und Nagasaki…wurden die Symbole eines neuen amerikanischen Barbarentums…“104

Zusammenfassung

Fassen wir die Grundlagen und Ziele der US-Atomkriegspläne in den Jahren von 1945 bis zum Ende der fünfziger Jahre zusammen.

Erstens dokumentieren alle Planungen der US-Administrationen von der Präsidentschaft Harry S. Trumans bis zum Amtsantritt John F. Kennedys, einschließlich der Kriegspläne des Komitees der Vereinigten Stabschefs, dass der US-Imperialismus die Sowjetunion unter keinen Umständen als einen Partner anzuerkennen bereits war – schon gar nicht als einen gleichberechtigten Partner – , sondern dass nach der Niederwerfung des deutschen Faschismus, bei dem die Rotarmisten millionenfach auch für die Freiheit der USA gekämpft hatten, ausschließlich die Interessen der Vereinigten Staaten auf der internationalen Bühne maßgeblich waren und mit allen Mitteln durchgesetzt werden sollten, einschließlich militärischer Gewaltanwendung. Der Historiker Melvyn P. Leffler bringt präzise auf den Punkt, was die maßgeblichen Kreise in Washington damals als vollkommen inakzeptabel betrachteten: „Die bloße Existenz der Sowjetunion bildete einen Alptraum“.105 Für die Eliminierung dieses Alptraums standen in dieser Phase historischer Entwicklung zum ersten Mal atomare Waffen zur Verfügung. Ihr Ersteinsatz in einer militärischen Aggression wurde intern immer wieder diskutiert und als eine durchaus reale Variante in der Auseinandersetzung mit der UdSSR angesehen. Das Risiko eines „Wandelns am Rande des atomaren Abgrundes“ (brinkmanship), also die Bereitschaft, in weltpolitischen Krisen bis an den Rand des Einsatzes von Atomwaffen zu gehen, war seit dem vom US-Präsidenten Truman abgesegneten Dokument NSC-68 eine lediglich graduell weniger risikobehaftete Strategie. Wie auch immer: Das Risiko eines Atomkrieges wurde von den Planern im Weißen Haus und im Pentagon bewusst in Kauf genommen. Die Logik von NSC-68 war – um ein weiteres Mal Melvyn P. Leffler zu zitieren – die Erringung „der Weltherrschaft. Die Risiken waren hoch.“106 Es darf hinzugefügt werden: Die Risiken waren hoch nicht nur für die Sowjetunion und die USA, sondern für die gesamte Menschheit. Hervorhebenswert bleibt, dass detaillierte Pläne eines Angriffs mit Kernwaffen auf die UdSSR bereits unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkrieges ausgearbeitet worden waren, als die Sowjetunion noch als Verbündeter der Vereinigten Staaten galt und die UdSSR noch weit entfernt davon war, selbst Atombomben und die dafür notwendigen Trägermittel zu besitzen, um sie gegen die USA einsetzen zu können. Das Motiv, die „sozialen Revanche“ gegen die Oktoberrevolution, gegen das erste sozialistische Land der Erde vorzubereiten, war durch den Weltkrieg offenbar nur in den Hintergrund gedrängt, aber nicht aus der Welt geschafft worden.

Zweitens erschien allerdings einigen politischen und militärischen Autoritäten

in Washington ein mit Kernwaffen geführter Krieg mit der UdSSR als die ultima ratio, den es zu vermeiden gelte. Sie orientierten darauf, ohne eine atomare Auseinandersetzung mit der Sowjetunion völlig auszuschließen, eine solche Kombination von differenzierten Mitteln und Methoden anzuwenden, die mit nicht-kriegerischen Aktionen die Sowjetmacht im Lande selbst, vor allem aber die Staatsmacht in den sozialistischen und volksdemokratischen Staaten Osteuropas, unterminieren und schließlich beseitigen sollte. Dabei galt neben der im Geheimen vollzogenen Unterstützung system-kritischer und oppositioneller Gruppen und Körperschaften, der Unterstützung von Demonstrationen, Unruhen und Aufständen, der propagandistischen Einwirkung mit Hilfe westlicher Radiosender, besonders die Stimulierung nationalistischer Stimmungen und Strömungen als erfolgversprechend. Es bestand jedoch die Gefahr, dass von außen entfachte oder geschürte Unruhen und Aufstände einer Kontrolle durch ihre Urheber entgleiten und eine Eigendynamik entwickeln konnten. Es galt für die politisch Verantwortlichen in Washington zu bedenken, dass eine aggressive antisowjetische und antikommunistische Rhetorik, begleitet von militanten „verdeckten Aktionen“ in den Ländern Osteuropas, eine Eskalation auszulösen imstande waren, die in einen Krieg einmünden konnten.107 Es scheint, als hätte Präsident Eisenhower diese Gefahren während seiner Amtszeit reflektiert – ungeachtet seiner nach außen bisweilen aggressiven Rhetorik. Während Extremisten, wie z.B. der Kommandeur des SAC und Generalstabschef der U.S. Air Force General Curtis LeMay (1949 bis 1957 bzw. 1957 bis 1965), Marine- und Verteidigungsminister James V. Forrestal (1944 bis 1949) und der Marineminister Frank P. Matthews (1949 bis 1951), aber auch der Chef der CIA Allen Welsh Dulles (1953 bis 1961) und Außenminister John Foster Dulles (1953 bis 1959), einen atomaren Angriff auf die Sowjetunion favorisierten und der federführende Autor von NSC-68 Paul Nitze eine solche unprovozierte Aggression zumindest nicht ausschloss, waren andere hohe Beamte, deren prominentester Exponent der Diplomat und von 1947 bis 1949 amtierende Chef des Planungsstabes im State Department George F. Kennan war, anderer Auffassung. Sie plädierten dafür, die eindeutige Priorität auf die beschriebenen, so genannten friedlichen Mittel und Methoden zu legen, um die Macht der UdSSR sukzessive zu brechen. Während die erste Gruppierung die „Befreiung“ der sozialistischen Länder auf ihre Fahnen geschrieben hatte und militärische Aktionen dabei mit zu berücksichtigen gewillt war, war die zweite Gruppierung der Auffassung, die Macht der Sowjetunion und der von ihr beeinflussten Staaten und Bewegungen müsse „zurückgedrängt“ werden, ohne zu kriegerischen Mitteln zu greifen.108 Dass es zwischen den beiden hier idealtypisch beschriebenen Gruppen und ihren Grundanschauungen eines erfolgreichen Kampfes gegen die UdSSR auch manche Gemeinsamkeiten und inhaltliche Schnittstellen gab, dass sie alle ausnahmslos prinzipielle Gegner der Sowjetunion waren, die es ihrer Meinung nach schnellstmöglich zu eliminieren galt, steht dabei außer Zweifel.109

Drittens waren die Atomkriegsplanungen des britischen Generalstabes besonders perfide, der noch vor einer Entscheidung der politischen Autoritäten, eigene Kernwaffen und ihre Trägersysteme zu entwickeln und in Dienst zu stellen, seit Dezember 1945 die Aufstellung einer eigenen Atomstreitmacht forderte, ja seit 1946 sogar prospektive, atomar zu vernichtende Ziele in der UdSSR identifizierte. Auch die Flugrouten von Langstreckenbombern waren bereits ausgearbeitet worden! Wie groß muss der Hass auf die Sowjetunion bei den Herrschenden in Großbritannien gewesen sein, um derartige Planungen ins Werk zu setzen, noch bevor sich der Kalte Krieg als dominierende Tendenz in den internationalen Beziehungen durchgesetzt hatte, aber auch angesichts einer desaströsen wirtschaftlichen Lage des Landes am Ende des Zweiten Weltkrieges und in den Jahren danach, die völlig andere Prioritäten erfordert hätte als eine atomare Aufrüstung?

Viertens ist zu berücksichtigen, dass die Sowjetunion nach den Schrecknissen der faschistischen Okkupation wegen des ihr von den USA aufgezwungenen Rüstungswettlaufes große industrielle, finanzielle, wissenschaftliche und intellektuelle Ressourcen aufwenden musste, um den Preis für einen Erstschlag der USA für den Aggressor zu einem nicht kalkulierbaren Risiko zu machen bzw. politische Erpressungen von Seiten der Vereinigten Staaten „mit der Atombombe am Gürtel“ zurückweisen zu können. Dadurch wurden dem zivilen Aufbau und dem privaten Konsum gewaltige Mittel entzogen, die den Lebensstandard der sowjetischen Bevölkerung auf Dauer sehr negativ beeinflussten und sie im globalen Systemwettbewerb immer wieder zurückfallen ließen. Erst an der Wende von den sechziger zu den siebziger Jahren hatte die UdSSR eine Zweitschlagkapazität aufgebaut, die den US-Imperialismus zu zügeln vermochte. In den achtziger Jahren löste die Reagan-Administration schließlich ein beispielloses Wettrüsten aus – begleitet von einer gegen die UdSSR gerichteten, extrem aggressiven Rhetorik –, dem die Volkswirtschaft der Sowjetunion nicht mehr folgen konnte.

Fünftens überspielte die sowjetische Führung unter dem 1. Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU (1953 bis 1964) und Ministerpräsidenten der UdSSR (1958 bis 1964) Nikita Sergejewitsch Chruschtschow ihre militärische Unterlegenheit gegenüber den USA durch eine mitunter militante Rhetorik. Nicht nur das Überholen der Vereinigten Staaten in ökonomischer Hinsicht und der in absehbarer Frist bevorstehende Übergang des Landes zum Kommunismus wurden proklamiert, sondern nach der erfolgreichen „Sputnik“-Mission sowie dem Abschuss eines U-2-Spionageflugzeuges am 1. Mai 1960 über dem Ural nahe Swerdlowsk110 ereiferte sich Chruschtschow öffentlich, die UdSSR könne „eine Fliege vom Himmel holen“, verfüge über Atombomben mit einer Stärke von mehr als 100 Megatonnen (9.8.1961) bzw. die Sowjetunion sei in der Lage, Interkontinentalraketen über den Südpol in die USA zu lenken (16.3.1962).111 Dass es sich bei diesen Aussagen um reinen Bluff handelte, war den politisch und militärisch Verantwortlichen in den USA und in der NATO durch die Ergebnisse ihrer am Ende der fünfziger Jahre beginnenden Satellitenaufklärung und die U-2-Spionageflüge bekannt. Für die Öffentlichkeit in den kapitalistischen Staaten, deren meinungsbildende Medien die realitätsfremden Prahlereien aus dem Munde Chruschtschows immer von neuem genüsslich zitierten und als „Kriegsdrohungen“ der Sowjetunion interpretierten, war das jedoch nicht durchschaubar. Vor allem wurde mit derartigen rhetorischen Fehlleistungen in den Vereinigten Staaten und in den NATO-Ländern die Schaffung einer Massenbasis zugunsten immer neuer Aufrüstungsprogramme begünstigt.

Sechstens sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass – ungeachtet der Notwendigkeit von diplomatie- und militärgeschichtlichen Analysen zur Geschichte des Kalten Krieges – die entscheidende Frage nach den gesellschaftlichen Verhältnissen und den dominierenden Klassenkräften gestellt werden muss, die in den Vereinigten Staaten in der zweiten Hälfte der 1940er und in den 1950er Jahren eine aggressive Fronstellung gegenüber der UdSSR durchsetzen konnten. Die Antwort gab erstaunlicher Weise Präsident Dwight D. Eisenhower in seiner Abschiedsrede an seine Landsleute am 17. Januar 1961. Er warnte vor einem immer stärker ausufernden Militär-Industrie-Komplex, dessen „totaler Einfluss – ökonomisch, politisch und sogar geistig – in jeder Stadt, in jedem Parlament, in jedem Büro einer Bundesbehörde gespürt werden kann.“ Nötig sei der Schutz vor unkontrollierten Einflüssen des Militär-Industrie-Komplexes, seien sie gerechtfertigt oder ungerechtfertigt. „Das Potenzial für eine verheerende Ausbreitung ungerechtfertigter Macht existiert und wird weiterhin bestehen.“112

Die Verflechtung von Weißem Haus, Verteidigungsministerium, hohen Militärs, Waffenindustrien sowie den der Administration zuarbeitenden „Denkfabriken“, wie zum Beispiel der Rand Corporation, ist seit den Zeiten Eisenhowers noch unentwirrbarer geworden. Letztlich setzen sich die Interessen der führenden Rüstungskonzerne nach wie vor im politischen Handeln der Regierenden um. Es kommen in der Gegenwart mehr denn je zuvor die großen Medienkonzerne als unentbehrliche Akteure und Partner des „Militär-Industrie-Komplexes“ hinzu, deren Berichterstattung den Resonanzboden für die ideologischen Zerrbilder und Konstrukte der Herrschenden bildet, die ihr Handeln als eine „im Interesse der nationalen Sicherheit“ gebotene Politik darstellen.

Der Historiker David Horowitz formulierte in diesem Zusammenhang vor fast einem halben Jahrhundert eine Erkenntnis, derer man sich stets erinnern sollte: „…,dass weder aktuelle weltgeschichtliche Bewegungen noch speziell die US-Politik, weder der Kalte Krieg noch Amerikas Rolle darin, verstanden werden können, ohne dass man sich vorher verständigt hat über den Klassencharakter der amerikanischen Gesellschaft, das heißt über die Natur des kapitalistischen Systems, das allein diese Politik untermauert und begründet.“113

Stellt die seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vollzogene Hochrüstungs- und Interventionspolitik des US-amerikanischen Imperialismus nicht einen eindrucksvollen Beleg für die Realitätsbezogenheit dieser Anschauungen dar?

1 Stark erweiterte und überarbeitete Fassung eines unter dem Titel „91 Atombomben auf Ost-Berlin“ erschienenen Beitrages, der in den „Mitteilungen“ der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE, Heft 4/April 2017, S.4-8 veröffentlicht wurde.

2 Melvyn P. Leffler: The Preponderance of Power. National Security, the Truman Administration, and the Cold War, Stanford University Press, Stanford (Calif.) 1992, S.359.

3 Thomas Mann: Fragile Republik. Thomas Mann und Nachkriegsdeutschland. Hrsg. von Stephan Stachorski,

Frankfurt a.M. 1989, S.120 (Zitat aus einem Brief Thomas Manns an Agnes E. Meyer vom 25.1.1946).

4 Siehe Reiner Zilkenat: „Unternehmen Barbarossa“. Der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 – Über historische Kontinuitäten, Diskontinuitäten und über den Charakter dieses Aggressionskrieges, in: Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE, Heft 9/2016, S.9ff u. Heft 10/2016, S.7ff.

5 Joseph C. Grew: Turbulent Era. A Diplomatic Record of Forty Years, 1904-1945. Edited by Walter Johnson, Vol.II, Boston 1952, S.1445. Übersetzung von mir-R.Z.

6 Siehe Arthur Smith: Churchills deutsche Armee. Die Anfänge des Kalten Krieges (1943-1947), Bergisch Gladbach 1978, bes. S.11ff. u. 176ff. sowie David Talbot: Das Schachbrett des Teufels. Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung, Frankfurt a. M. 2016, S.79.

7 B.L. Montgomery: Memoiren, München 1958, S.374f.

8 Zu dieser Thematik existiert mittlerweile eine Fülle geschichtswissenschaftlicher Publikationen. Genannt seien nur diese Titel: Kerstin von Lingen: Conspiracy of Silence: How the „Old Boys“ of American Intelligence Shielded SS General Karl Wolff from Prosecution, in: Holocaust and Genocide Studies, Vol. 22, No. 1, 2008, S.74ff.; dieselbe: SS und Secret Service: „Verschwörung des Schweigens“ – die Akte Karl Wolff, Paderborn 2010; dieselbe: Allen Dulles, the OSS, and Nazi War Criminals. The Dynamics of Selective Prosecution, Cambridge 2013; Dirk R. Mallett: Hitler’s Generals in America. Nazi POWs and Allied Military Intelligence, Kentucky University Press 2013; Robert W. Hutchinson: The Weight of History: Wehrmacht Officers, the U.S. Army Historical Division, and U.S. Military Doctrine, 1945-1956, in: The Journal of Military History, Vol.78, No.4, October 2014, S.1321ff.; Esther Julia Howell: Von den Besiegten lernen? Die kriegsgeschichtliche Kooperation der U. S. Armee und der ehemaligen Wehrmachtselite 1945-1961, Berlin 2016; Michael Wala: Stay-behind operations, former members of SS and Wehrmacht, and American intelligence services in early Cold War Germany, in: Journal of Intelligence History, Vol. 15, No. 2, 2016, S.71ff. Aus der älteren Literatur sei hier ausdrücklich hervorgehoben: Tom Bower: Klaus Barbie. Lyon-Augsburg-La Paz. Karriere eines Gestapo-Chefs, (West-) Berlin 1984, , bes. S.152ff.

9 Offen gesagt…Eine Auswahl aus dem Buche „Speaking Frankly“ von James F. Byrnes, München o.J., S.27.

10 Winston S. Churchill: Der Zweite Weltkrieg. Mit einem Epilog über die Nachkriegsjahre, Bern u.a. 1963, S.1115.

11 Nur fünf Tage nach Roosevelts Tod erklärte Truman am 20. April 1945 gegenüber dem US-Botschafter in Moskau, Averell Harriman, unverblümt, „dass eine neue barbarische Invasion Europas im Gange“ sei und er erwarte, dass die Führer der Sowjetunion „zu 85 Prozent“ auf die außenpolitischen Vorschläge der USA eingehen würden. Siehe Elie Abel u. Averell Harriman: In geheimer Mission. Als Sonderbeauftragter Roosevelts bei Churchill und Stalin 1941 bis 1946, München 1981, S.352f. Siehe auch Rolf Badstübner: Die Potsdamer (Berliner) Konferenz und Deutschland. Die Antihitlerkoalition zwischen Konsensus und zunehmender Differenz, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, (im Folgenden: ZfG), 33. Jg., 1985, H.1, S.5ff.

12 Siehe Siegfried Prokop: Die Churchill-Rede in Fulton und der Ausbruch des Kalten Krieges, in: Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE, Heft 3/2006, S.25ff.; Reiner Zilkenat: Die Ouvertüre zum Kalten Krieg – Churchills Fulton-Rede vom 5. März 1946, in: ebenda, Heft 3/2016, S.8ff.

13 Siehe David Horowitz: Kalter Krieg. Hintergründe der US-Außenpolitik von Jalta bis Vietnam, Bd. 1, (West-) Berlin 1973, S.61ff.; Bernd Greiner: Amerikanische Außenpolitik von Truman bis heute. Grundsatzdebatten und Strategiediskussionen, 2. Aufl., Köln 1982, S.21ff.

14 Siehe zur historischen Bedeutung des „Wende-Jahres“ 1947 die Arbeit von Rolf Badstübner: Clash. Entscheidungsjahr 1947, Berlin 2007. Siehe auch Karl Drechsler: Von der Antihitlerkoalition zum Kalten Krieg. Überlegungen zur Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik der USA 1943-1947/48, in: ZfG, 32.Jg., 1984, H.10, S.847ff.

15 Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden dieser gegen die UdSSR gerichteten, aggressiven politisch-militärischen Konzeptionen siehe Gunther Mai: Containment und militärische Intervention. Elemente amerikanischer Außenpolitik zwischen der Griechenland-Krise von 1946/47 und dem Korea-Krieg von 1950, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte (im Folgenden: VfZ), 32.Jg., 1984, H.4, S.491ff. ; Bernd Stöver: Die Befreiung vom Kommunismus. Amerikas Liberation Policy im Kalten Krieg 1947-1991, Köln u.a. 2002. Zu einigen alternativen Konzeptionen, die weiterhin eine Politik der Zusammenarbeit mit der UdSSR beinhalteten, siehe Karl Drechsler u. Christa Link: Alternative Concepts of United States Foreign Policy 1943-1947. Documents: European and Global Aspects of Postwar Relations with the Soviet Union, Berlin 1992.

16 Die nach wie vor am meisten anregende Studie zu dieser Thematik ist das Buch von Gregg Herken: The Winning Weapon. The Atom Bomb and the Cold War 1945-1950, New York 1980, bes. S.69ff.

17 Siehe ebenda, S.45ff. u. Helmut Wolfgang Kahn: Der Kalte Krieg. Bd. 1: Spaltung und Wahn der Stärke 1945-1955, Köln 1986, S.55f. Siehe zu den Außenministerkonferenzen: V.N. Vysockij: Die deutsche Frage auf den Außenministerkonferenzen des Jahres 1946, in: ZfG, 22. Jg., 1974, H.4, S.385ff.; derselbe: Die deutsche Frage auf der Moskauer Außenministerkonferenz 1947, in: ebenda, H. 6, S.565ff.; derselbe: Die deutsche Frage auf der Londoner Außenministerkonferenz 1947, in: ebenda, H. 9, S.956ff.; derselbe: Die deutschen Angelegenheiten auf den internationalen Beratungen der Jahre 1948 und 1949, in: ebenda, 23.Jg., 1975, H.4, S.394ff.

18 Zitiert nach Gregg Herken: The Winning Weapon, S.149, Übersetzung von mir-R.Z. Im Original lauten die Zeilen: „Are we not asking Russia to raise the ‚iron curtain’ /in Europe/ at the same time that we keep the atomic curtain down tight?”

19 Siehe Melvyn P. Leffler: National Security and US Foreign Policy, in: Origins of the Cold War. An International History. Edited by Melvyn P. Leffler u. David S. Painter, London u. New York 1995, S.18ff. Auf S.21 findet sich eine Übersichtskarte mit einigen der wichtigsten Stützpunkte.

20 Siehe Ken Young: U.S .atomic capability and the British forward bases in the early Cold War, in: The Journal of Contemporary History, Vol. 42, No.1, 2007, S.5ff.

21 Die Reichweite der “Matador” betrug etwa 1.100, die der „Mace” mehr als 2.000 Kilometer.

22 Siehe Barbara Moran: The Day We Lost The H-Bomb. Cold War, Hot Nukes, And The Worst Nuclear Weapons Disaster In History, New York 2009, S.17.

23 Siehe Melvin P.Leffler: A Preponderance of Power, S. 57f. Im Original: “…and plan not for ten years but 50-100 years ahead.”

24 Siehe Bernd Greiner u. Kurt Steinhaus: Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg? Amerikanische Kriegspläne gegen die USA – Eine Dokumentation, 2. Aufl., Köln 1981, Dok.3, S.74ff. Dieser überaus wichtige Band enthält ins Deutsche übersetzte, bis dahin streng geheime Dokumente zur Militär- und Außenpolitik der USA, die 1978 zum ersten Mal publiziert worden waren: Containment. Documents on American Policy and Strategy, 1945-1950. Edited by Thomas H. Etzold u. John Lewis Gaddis, New York u.a. 1978. Siehe auch Gregg Herken: The Winning Weapon, S.199f.

25 Bernd Greiner u, Kurt Steinhaus: Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg, S.74f.

26 Siehe ebenda, Dok.10, S.109ff., bes. 111 u. 114f. Siehe auch Gregg Herken: The Winning Weapon, S.283ff.

27 Bernd Greiner u. Kurt Steinhaus: Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg, Dok.10, S.111.

28 Ebenda, Dok.25, S.191ff. Zitate: S.207 u. 209.

29 Ebenda, S.212f.

30 Zur Vorgeschichte und zum Ablauf des ersten Atombomben-Tests der UdSSR siehe David Holloway: Stalin and the Bomb. The Soviet Union and Atomic Energy 1939-1956, New Haven u. London 1994, S.213ff.

31 Siehe Gregg Herken: The Winning Weapon, S.232f.

32 Siehe ebenda, S.97ff., bes. 102ff.

33 Siehe hierzu das Standardwerk von Rudolf Bach u. Rainer Karlsch, Hrsg.: Uranbergbau im Kalten Krieg. Die Wismut im sowjetischen Atomkomplex, Berlin 2011, 2 Bde.

34 Siehe Gregg Herken: The Winning Weapon, S.341 u. 401 (Anmerkung 9).

35 Siehe Der Spiegel, Nr.35, 31.8.1950, S.26: Belgisch-Kongo: Fördert die Freiheit der Welt; Die Zeit, 14.2.1957, Uran drängt zum Markt (http://www.zeit.de/1957/07/uran-draengt-zum-markt?print – letzter Abruf: 8.4.2017).

36 Lumumba wurde am 17. Januar 1961, nachdem er schwer gefoltert worden war, ermordet, seine Leiche zerstückelt und in Salzsäure aufgelöst. Siehe Helmut Wolfgang Kahn: Der Kalte Krieg. Bd. 2: Alibi für das Rüstungsgeschäft 1955 bis 1973, Köln 1987, S.174ff.; Tim Wiener: CIA. Die ganze Geschichte, 4. Aufl., Frankfurt a.M., 2008, S.225ff. Viele Indizien sprechen dafür, dass die Ermordung Lumumbas unmittelbar von Präsident Eisenhower befohlen worden ist.

37 Siehe Marc Trachtenberg: A Constructed Peace. The Making of the European Settlement, 1945-1963, Princeton (New Jersey) 1999, S.181. Siehe hierzu auch die Schaubilder „Das strategische Kräfteverhältnis zwischen den USA und der UdSSR (1950-1961)” betreffend „einsetzbare Nuklearsprengsätze” und „Trägersysteme”, in: Oliver Gnad: Konfrontation und Kooperation im Kalten Krieg. Amerikas Sicherheitspolitik 1950-1956, Wiesbaden 1997, S.360f. (Tafeln 6a und 6b).

38 Bernd Greiner u. Kurt Steinhaus: Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg, S.44. Bemerkenswert war allerdings, dass die USA nicht einmal für ein Jahr im exklusiven Besitz der Wasserstoffbombe blieben. Nachdem sie am 1. November 1952 zum ersten Mal eine solche Kernwaffe gezündet hatten, gelang es der Sowjetunion bereits am 12. August des darauf folgenden Jahres, den ersten erfolgreichen Test einer Wasserstoffbombe durchzuführen.

39 Eine der wenigen Ausnahmen, der die wirtschaftliche Lage der UdSSR in seine historische Analyse mit einbezieht, ist Melvyn Leffler: National Security and US Foreign Policy, S.38f.: „What is remarkable is that after 1946 these monumental losses (im 2. Weltkrieg-R.Z.) received so little attention when American defense analysts studied the motives and intentions of Soviet policy.” („Bemerkenswert erscheint, dass nach 1946 diese gewaltigen Verluste /im 2. Weltkrieg-R.Z/ so wenig Aufmerksamkeit bei den amerikanischen Analytikern der Sicherheitspolitik fanden, die die Motive und Absichten der sowjetischen Politik untersuchten.“) Zur Lage der sowjetischen Volkswirtschaft in den Nachkriegsjahren siehe auch derselbe: For the Soul of Mankind. The United States, The Soviet Union, and the Cold War, New York 2007, S.20f.; Europa-Archiv, 2. Jg., Juli 1947-November 1947, 4. Folge, S.925ff.; Adolf Karger: Die Sowjetunion als Wirtschaftsmacht, 3. Aufl., Frankfurt a.M. u. Aarau 1983, S.24, 48 u. 95; Lothar Rühl: Aufstieg und Niedergang des Russischen Reiches, Stuttgart 1992, S.584f. Aus diesen Werken sind die im Folgenden genannten Daten zur wirtschaftlichen Lage der UdSSR in den Nachkriegsjahren entnommen worden.

40 Siehe Elena Zubkova: Die sowjetische Gesellschaft nach dem Krieg. Lage und Stimmung der Bevölkerung 1945/46, in: VfZ, 47.Jg., H.3, S.363ff.

41 Siehe ebenda, S.365f.

42 Siehe ebenda, S.370 u. 378.

43 Siehe Wilfried Loth: Die Teilung der Welt. Geschichte des Kalten Krieges 1941-1955, 2. Aufl., München 1982, S.83.

44 Siehe Potsdamer Abkommen. Ausgewählte Dokumente zur Deutschlandfrage 1943-1949. Mit einem Vorwort von Stefan Doernberg, Berlin 1970, S.65 u. Wilfried Loth: Stalins ungeliebtes Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte, München 1996, S.86f.

45 David Talbot: Das Schachbrett des Teufels, S.181.

46 Die einflussreichsten Sicherheitsberater dürften Henry Kissinger (1969 bis 1973) und Zbigniew Brezinski (1977 bis 1981) gewesen sein, die diese Funktion unter den Präsidenten Richard M. Nixon bzw. Jimmy Carter inne hatten. Zur Arbeit des NSC und zu seiner Funktion innerhalb der Administration siehe die interessanten Aussagen von Henry Kissinger: Memoiren, Band 1: 1968-1970, München 1981 (Taschenbuch-Ausgabe), S.52ff. u.63ff.

47 Siehe G. William Domhoff: Wer bestimmte die US-Außenpolitik 1945-1968, in: Big Business und Kalter Krieg. Hrsg. von David Horowitz, Frankfurt a. M. 1971, S.39.

48 Siehe die Internet-Präsenz des NSC: https://www.whitehouse.gov/nsc/

49 Das Memorandum ist abrufbar unter https://publicintelligence.net/nsc-68/ Zahlreiche andere Internet-Publikationen von NSC-68 können über google, Suchmaske „NSC-68“ eingeben, ermittelt werden. Siehe auch Foreign Relations of the United States, 1950, Vol. 1, Washington, D.C. 1977, S.234ff. Teilveröffentlichung in deutscher Sprache bei Bernd Greiner u. Kurt Steinhaus: Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg, Dok.26, S.229. Umfassende und kritische Analysen von NSC-68 finden sich bei Gregg Herken: The Winning Weapon, S.327ff.; Bernd Greiner: Amerikanische Außenpolitik von Truman bis heute, S.23ff.; Helmut Wolfgang Kahn: Der Kalte Krieg, Bd.1, S.216ff. u. Melvyn P. Leffler: A Preponderance of Power, S.355ff.

50 Siehe NSC-68, S.6. Dieses Dokument wird hier und im Folgenden nach der oben genannten Internet-Veröffentlichung zitiert: https://publicintelligence.net/nsc-68 (letzter Abruf: 14.4.2017).

51 Ebenda, S.13.

52 Ebenda, S.17f. u. 20.

53 NSC-68, S.21.

54 Siehe ebenda, S.25ff.

55 Siehe ebenda, S.52.

56 Siehe ebenda, S.52f.

57 Siehe ebenda, S.53.

58 Siehe ebenda, S.56.

59 Siehe ebenda, S.56f.

60 Siehe ebenda, S.57.

61 Melvyn P. Leffler: The Preponderance of Power, S.357.

62 Siehe Knut Mellenthin: „Evil Empire“, in: www.ag-friedensforschung.de/regionen/USA/reagan1983.html (letzter Abruf: 15.4.2017).

63 Siehe https://nsarchive.gwu.edu/nukevault/ebb538-Cold-War-Nuclear-Target-List-Declassified-First-Ever/ (letzter Abruf: 18.3.2017). Die folgenden Angaben folgen den hier publizierten Quellen. Siehe auch https://www.heise.de/tp/news/Atombomben-auf-Ost-Berlin-3055232.html?view=print. (Letzter Abruf: 29.9.2016). Über www.google.de sind zahlreiche Presseartikel zu diesen Dokumenten aus Deutschland, den USA und Großbritannien abrufbar (z.B. Spiegel Online, junge Welt, Süddeutsche Zeitung, Der Tagesspiegel, Die Welt, Rheinische Post, New York Times, Daily Mail), wenn als Suchbegriff „Atombomben auf Ost-Berlin“ eingegeben wird.

65 Zitiert nach: Barbara Moran: The Day We Lost The H-Bomb, S.18. Übersetzung von mir-R.Z. Im Original: „The final impression was that virtually all of Russia would be nothing but a smoking, radiating ruin at the end of two hours.“

66 Das Folgende nach: Helmut Wolfgang Kahn: Der Kalte Krieg. Bd. 2: Alibi für das Rüstungsgeschäft, S.66ff.; The Cold War 1945-1991. Edited by Benjamin Frankel, Vol.3, Detroit-Washington, D.C.-London 1992, S.200.; Rolf Steininger: Der Kalte Krieg, Frankfurt a. M. 2003, S.108f.

67 Bereits 1964 wies das auflagenstarke Nachrichtenmagazin „Time“ nach, dass die führenden Politiker und Militärs in Washington seit längerem genauestens darüber informiert waren, dass die behaupteten „Bomber“- und „Raketenlücken“ der USA nicht existierten. Siehe Charles J.V. Murphy: Das Geheimnis von Kapustin Jar, in: Der Spiegel, Nr.51/1964, S.78ff. Offenbar handelt es sich um die Übersetzung des in „Time“ abgedruckten Artikels.

68 Siehe https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/CIA_RDP75-00001R000200430033-3.pdf (letzter Abruf: 15.4.2017). Im Original: „…the Russians are now ahead of America in terms of total scientific and technical professional manpower.”

69 In einem hoch interessanten Grundsatzartikel, der eine Art von tour d’horizon durch die Weltpolitik darstellte, schrieb Kennedy unter anderem: „We have underestimated as a nation the capacity of the Russians to compete with us militarily and economically. After the war we greatly misjudged their ability to build the atomic bomb and the hydrogen bomb; we underestimated their technological manpower in numbers and quality; we had an easy confidence that we could outdo them in producing planes, missiles and heavy weapons…” John F. Kennedy: A Democrat looks at Foreign Politics, in: Foreign Affairs, Vol.36, No.1, October 1957, S.47. („Unsere Nation hat die Ressourcen der Russen unterschätzt, mit uns militärisch und ökonomisch in den Wettbewerb zu treten. Nach dem Krieg haben wir ihre Fähigkeit, die Atom- und die Wasserstoffbombe zu bauen, falsch beurteilt. Wir unterschätzten die Anzahl und die Qualität ihrer technischen Kader. Wir hatten die leichtfertige Überzeugung, dass wir sie in der Produktion von Flugzeugen, Raketen und schweren Waffen übertreffen könnten.“ – Übersetzung von mir-R.Z.) Dieser Beitrag Kennedys wurde im gleichen Monat publiziert, in dem der „Sputnik“ um die Erde kreiste.

70 Siehe Harald Biermann: John F. Kennedy und der Kalte Krieg. Die Außenpolitik der USA und die Grenzen der Glaubwürdigkeit, Paderborn 1997, S.47ff.

71 John F. Kennedy: Dämme gegen die Flut. Hrsg. von John W. Gardner, Düsseldorf u. Wien 1962, S.83.

72 In den für die Öffentlichkeit und die historische Forschung deklassifizierten Akten der CIA, die über das Internet zugänglich sind, finden sich auch am 22. Dezember 2016 frei gegebene Fotos, die innerhalb der UdSSR von Militäranlagen und Kampfflugzeugen aus einer „natürlichen Deckung“ (im Unterholz und durch Sträucher getarnt) angefertigt worden sind. Sie zeigen z.B. den Mittelstreckenbomber TU-16 “Badger” detailreich aus verschiedenen Perspektiven. Siehe https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/CIA-RD80T00246A061400140001-4.pdf. (Letzter Abruf: 15.4.2017) Hier werden insgesamt 6 aus der Nähe photographierte Aufnahmen des „Badger“ aus dem Jahre 1962 veröffentlicht („CIA-Information Report“, 26.4.1962-Secret).

73 Siehe zum Folgenden: Gregory W. Pedlow u. Donald E. Welzenbach: The CIA and Overhead Reconaissance. The U-2 and OXCART Programs, 1954-1974, o.O. 1998 (Secret), S.95ff. Diese mehrere Hundert Seiten starke, hoch interessante Studie der Historischen Abteilung der CIA ist mittlerweile in großen Teilen zur Veröffentlichung freigegeben worden und kann im Internet gelesen sowie herunter geladen werden: htpps://www.cia.gov/index.html; in die Suchmaske „search“ dann die Namen der beiden Autoren eingeben (letzter Abruf: 1.4.2017). Karten der Überflug-Routen am 4. und 5. Juli 1957 finden sich auf den Seiten 102f. Übrigens war die Bundesregierung nicht über die Stationierung der U-2 vorab informiert worden (The CIA and Overhead reconnaisance, S.95: „…without notifying German authorites.“).

74 Zu den Informationen der sowjetischen Luftstreitkräfte über die U-2 und die von ihnen unternommenen Gegenmaßnahmen, die bis zum Abschuss eines dieser Spionageflugzeuge am 1. Mai 1960 erfolglos blieben, siehe Alexander Orlov: A „Hot“ Front in the Cold War. The U-2-Program: A Russian Officer Remembers, in: https://www.cia.gov/library/center-for-the-study-of-intelligence/kent-csi/vol42no5/pdf/ (letzter Abruf: 22.4.2017).

75 Siehe ebenda, S.96. Eisenhower sei „zutiefst besorgt darüber gewesen, dass derartige Überflüge das Risiko eines beginnenden Krieges mit sich bringen könnten.“ Ebenda, S.96 (im Original: „…that such flights brought with them the risk of starting a war”.). Vor den Spionageflügen waren zunächst die mit der UdSSR verbündeten Warschauer-Pakt-Staaten überflogen worden, zuerst die DDR und Polen, wobei diese Flüge bis nahe an die sowjetischen Grenzen durchgeführt wurden. Siehe ebenda, S.100.

76 Weitere Einsätze wurden von Giebelstadt bei Würzburg und von Adana in der Türkei geflogen.

77 Siehe https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/CIA-RDP61-00549R000200010002-1.pdf (letzter Abruf: 27.3.2017). Dieses Memorandum wurde übrigens erst am 1.8.2013 deklassifiziert. Siehe auch „Main Trends in Soviet Capabilities and Policies 1958-1963“ (Top Secret) vom 23.12.1958, in: http://foia.cia.gov/docs/DOC_0000196965.pdf (letzter Abruf: 20.3.2016). Hier werden auf S.38 leicht abweichende, noch niedrigere Zahlen genannt: Schwere Bomber und Tankflugzeuge am 1.Oktober 1958 100-125, Mitte 1959 100-150, Mitte 1960 100-200, Mitte 1961 150-250, Mitte 1962 200-300, Mitte 1963 ebenfalls 200-300.

78 Siehe Rolf Steiniger: Der Kalte Krieg, S.108f.

79 Siehe die offiziöse Darstellung des SAC von Richard G. Hubler: SAC. The Strategic Air Command, New York 1959, S.164, 167 u. 171 sowie Der Spiegel, Nr.51/1964, S.81.

80 Siehe Richard G. Hubler: SAC, S.79f.

81 Siehe hierzu die Titelgeschichte im Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, Nr.7, 10.2.1957, S.14ff. („Atom-Strategie – Der Sieg über Radar“).

82 Siehe Julian Lewis: Changing Direction. British Military Planning for Post-War Strategic Defense, 1942-1947, London u. Portland (Oregon) 2003, bes. 228ff., 371ff. u. Innenseite (Landkarte vom April 1946 über britische Atombombenziele in der UdSSR); Peter Hennessy: The Secret State. Preparing for the Worst, 2. Aufl., London 2010, S.46ff.; Kristan Stoddart: Losing an Empire and Finding a Role. Britain, the USA, NATO and Nuclear Weapons, 1964-70, Basingstoke u. New York 2012, S.95 (Karte mit den Routen der in Großbritannien entwickelten und produzierten Bomber in den Luftraum der UdSSR, die seit der Mitte der fünfziger Jahre zum Bestand der Royal Air Force gehörten.)

83 Hierzu und zum Folgenden siehe Ken Young: A Most Special Relationship.

84 Ebenda, S.25.

85 Siehe ebenda, S.12 u. 19.

86 Siehe Peter Hennessy: The Secret State, S.51.

87 Zitiert nach derselbe: Cabinets and the Bomb, London 2011 (The House of Lords. The Lord Speaker and Mile End Group Lecture, 2.2.2011), S.7, in: https://www.parliament.uk/documents/lords-information-office/2011LordHennessyRoomLecture.pdf (letzter Abruf: 10.2.2017). Im Original lauteten die Äußerungen Bevins: “We’ve got to have this thing over here whatever it costs…We’ve got to have the bloody Union Jack on top of it.”

88 Siehe Großbritanniens Kampf um seine Stellung in der Weltwirtschaft, in: Europa-Archiv, 1.Jg., Juli 1946-Juni 1947, 8./9.Folge, Februar/März 1947, S.441ff.

89 Siehe Siegfried Bünger u. Hella Kaeselitz: Geschichte Großbritanniens von 1918 bis zur Gegenwart, Berlin 1989, S.155ff. u. Mirjam Kölling: Großbritanniens Stellung im imperialistischen System am Ende des Zweiten Weltkrieges, in: ZfG, 23.Jg., 1975, H.9, S.1001ff.

90 Die Auslandsverschuldung Großbritanniens betrug 1946 nicht weniger als 3,35 Milliarden Pfund Sterling. Die USA hatten der britischen Regierung im Dezember 1945 eine Anleihe in Höhe von insgesamt 4,4 Milliarden Dollar gewährt, hinzu kam eine kanadische Anleihe über 1,25 Milliarden Dollar. Siehe Siegfried Bünger u. Hella Kaeselitz: Geschichte Großbritanniens, S.156.

91 Im Protokoll dieser Sitzung heißt es unter anderem: „In discussion it was urged that we must consider seriously whether we could afford to divert from civilian consumption and the restoration of our balance of payments the economic resources required for a project on this scale. Unless present trends were reserved we might find ourselves faced with an extremely serious economic and financial situation in two to three years’ time.” Zitiert nach Peter Hennessy: The Secret State, S.50. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Minister Hugh Dalton (Schatzkanzler) und Stafford Cripps (Handelminister) zum exklusiven Kreis des Kabinettsausschusses für Angelegenheiten für Atomenergie nicht eingeladen wurden, der endgültig am 8. Januar 1947 die Entscheidung zugunsten der Entwicklung eigener Kernwaffen traf. Ihre ablehnende Haltung zu diesem Projekt, das nach ihrer Auffassung die ökonomischen Ressourcen des Landes überforderte, war bekannt und sollte ein positives Votum des exklusiven Zirkels nicht in Frage stellen.

92 Siehe ebenda, S.31 u. 33ff.

93 Siehe ebenda, S.33.

94 Das Folgende nach Julian Lewis, Changing Direction, S.354ff.

95 Siehe ebenda, S.358.

96 Ebenda, S.361. Das wiedergegebene Zitat stammt aus einem Memorandum des Foreign Office vom 2. April 1946 mit dem Titel „The Soviet campaign against this country and our response to it”.

97 Zitiert nach ebenda, S.375.

98 Sihe Siegfried Bünger u. Hella Kaeselitz: Geschichte Großbritanniens, S.150ff.

99 Hier ist nicht zuletzt der von 1949 bis 1951 amtierende Marineminister Frank P. Matthews zu nennen, der z.B. am 25. August 1950 in öffentlicher Rede in Boston für einen Präventivkrieg gegen die UdSSR geworben hatte. Auch der damalige Verteidigungsminister Louis A. Johnson galt als Anhänger derartig abenteuerlicher Gedankenspiele, die er jedoch vorzugsweise in kleinem Kreis äußerte. Siehe Helmut Wolfgang Kahn: Der Kalte Krieg, Bd.1, S.210 u. 216.

100 Zur Biographie Le Mays, eines militanten Antikommunisten und Militaristen, siehe Richard G. Hubler: SAC, S.118ff. u.151ff. Siehe auch Der Spiegel, Nr.7, 10.2.1957, S.14ff.

101 Le Mays militär-strategisches Weltbild wird von Richard G. Hubler folgendermaßen charakterisiert: „LeMay ist davon überzeugt, dass der Angriff die beste Verteidigung ist. Andere, so hebt er hervor, hätten versucht, als Nation auf einer defensiven Basis zu existieren. Er macht unerbittlich darauf aufmerksam, ‚dass sie heute nicht mehr unter uns sind’.“ Richard G. Hubler: SAC, S.119. Übersetzung von mir-R.Z.

102 Siehe hierzu die Planungen eines Ersteinsatzes von Atomwaffen durch die Kennedy-Adminstration 1961: http://nsarchive.gwu.edu/NSAEBB/NSAEBB56/index2,html (letzter Abruf: 6.3.2017) u. Fred Kaplan: JFK’s First-Strike Plan, in: The Atlantic, October 2001 (http://www.theatlantic.com/magazine/archive/2001/10/jfks-first-strike+Plan+The+Atlantic+Monthly+October+2001 (letzter Abruf: 6.3.2017). Zu derartigen Plänen in den 1980er Jahren siehe Konrad Ege u. Arjun Makhijani: U.S. Army Manuals Say: We Can Win a Nuclear War, in: Counterspy, Vol.7, September/October 1982, in: https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/CIA-RDP90-00845R000100140001-1.pdf. (Letzter Abruf: 10.3.2017)

103 Zitiert nach Rolf Steininger: Die Sowjetunion aus der Sicht der USA (1944-1958), in: Hans-Hermann Hertle, Konrad H. Jarausch u. Christoph Kleßmann, Hrsg.: Mauerbau und Mauerfall. Ursachen-Verlauf-Auswirkungen, Berlin 2002, S.49.

104 Martin J. Sherwin: The Atomic Bomb and the Origins of the Cold War, in: Origins of the Cold War. An International History, S.91. Übersetzung von mir-R.Z. Im Original lautet die Aussage: “Hiroshima and Nagasaki…became the symbols of a new American barbarism.“

105 Melvyn P. Leffler: The Preponderance of Power, S.359. (Im Original: “…the very existence of the Soviet Union constituted a night-mare.”)

106 Ebenda, S.357 (im Original: „The stakes were global preponderance. The risks were great.”)

107 Siehe zu dieser Problematik und zum Folgenden den faktenreichen Beitrag von Chris Tudda: „Reenacting the Story of Tantalus“. Eisenhower, Dulles, and the Failed Rhetoric of Liberation, in: The Journal of Cold War Studies, Vol.7, No.4, Fall 2005, S.3ff.

108 Diese überaus wichtige Thematik kann in diesem Artikel nicht abgehandelt werden. Siehe hierzu aber die in den Anmerkungen 11 bis 14 genannte Literatur.

109 Siehe hierzu die interessante „Doppelbiographie“ über Georg F. Kennan und Paul Nitze von Nicholas Thompson: The Hawk and the Dove. Paul Nitze, George Kennan, and the History of the Cold War, New York 2009. Der Autor ist übrigens ein Enkel Nitzes.

110 Siehe Der Spiegel, Nr.22, 22.6.1960, S. 20ff. („Der Fernaufklärer“).

111 Siehe Der Spiegel, Nr.31, 27.7.1960, S.45ff. („Wer einmal lügt“) und Nr.28, 9.7.1984 („Eine Fliege vom Himmel holen. Moskaus Kunst der Tarnung und des Rüstungsbluffs“), S.78ff.

112 Im Original lauten die wichtigsten Sätze zum Militär-Industrie-Komplex: „Now the conjunction of an immense military establishment and a large arms industry is new in the American experience. The total influence – economic, political, even spiritual – is felt in every city, every Statehouse, every office of the Federal government. (…) In the councils of government, we must guard against the acquisition of unwarranted influence, whether sought or unsought, by the military-industrial complex. The potential for the disastrous rise of misplaced power exists and will persist.” Zitiert nach: avalon.law.yale.edu/20th_century/eisenhower001.asp (letzter Abruf: 15.4.2017).

113 David Horowitz: Einleitung, in: Big Business und Kalter Krieg, S.19f.